preußische Ansiedler in Österreich
im achtzehnten Jahrhundert
von Prof. Dr. Raimund Fried, Kaindl-Lzernowiy
Erst seit kurzer Zeit bringt man der Geschichte der deutschen Kolonisation und Kulturarbeit in Österreich-Ungarn gröszeres Interesse entgegen. Früher war man Wohl über die deutschen Ansiedler in Ungarn unterrichtet, aber über die zahlreichen deutschen Ansiedlungen in Galizien und in der Bukowina wuszte man sehr wenig. Auch in einer anderen Beziehung sind die allgemeineren Kenntnisse über die Ansiedlungen sehr lückenhaft. In der Regel glaubt man, dasz seit dem achtzehnten Jahrhundert Kolonisten nur aus Südwestdeütschland (Schwaben) kamen, und doch waren z. B. mich Prenszen in Osterreich gern gesehene Ansiedler. Da darüber bisher sehr wenig bekannt ist, dürften die folgenden meist auf archivalischem Material beruhenden Mitteilungen nicht unwillkommen sein. Sie sind den Vorarbeiten zum dritten Bande der „Geschichte der Deutschen in den Karpathenländern" entnommen. Dankbar würde der Verfasser Hinweise und Mitteilungen, die auf die in dieser Skizze geschilderten Fragen Bezug haben, entgegennehmen (Czernowitz, Bukowina).
> ine wichtige Begleiterscheinung der Kriege zwischen Preußen und Österreich-Ungarn während des achtzehnten Jahrhunderts war der Austausch von Einwohnern, der teils infolge von Kriegsgefangenschaft, teils infolge der Fahnenflucht, teils aber auch infolge von Auswanderung stattfand. Schon zur Zeit des Siebenjährigen Krieges kam es vor, daß Friedrich der Große seine Regimenter aus österreichischen Kriegsgefangenen ergänzte, während preußische Kriegsgefangene in Österreich entweder in den Truppen eingereiht oder augesiedelt wurden. Seit dem Sommer des Jahres 1761 wurden zahlreiche Kriegsgefangene vor allem nach Siebenbürgen geschickt. Sie erhielten allerlei Vergünstigungen, Geldbeihilfen und mehrjährige Steuerfreiheit. Seiner besonderen Merkwürdigkeit wegen verdient der Umstand bemerkt zu werden, daß unter den bei Wilsdruff in Sachsen am 27. Juni 1762 gefangenen Mitgliedern des preußischen Freibataillons „Ouintus Jcilius" ein Mädchen in Soldatenkleidern gefunden wurde. Es war Johanna Dorothea Regina Gliassin, die die Kleider ihres Bruders angelegt und sich zu dem erwähnten Bataillon hatte anwerben lassen. Sie erklärte sich bereit, einen anderen preußischen Kriegsgefangenen zu heiraten; beide traten zur katholischen Religion über, erhielten hundert Dukaten an Unterstützung und wurden nach Siebenbürgen geschickt. Innerhalb zweier Jahre