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Ein Gottesurteil
der ein solcher Liebling der Muse war und um dessen Haupt sich eine so zarte Aureole der Legende und Dichtung gebildet hat. Fast möchte man sich darüber freuen, daß uus nicht mehr aus seinem Leben bekannt ist. Das Märchenhafte, das über ihn ausgebreitet ist, trägt dazu bei, ihn noch mehr zu einer der köstlichsten Erscheinungen des ausklingenden Mittelalters zu machen. F,
Gin Gottesurteil
Ein Rindererlebnis von Karl Hans Strobl
on allen Wochentagen liebte der kleine Toni den Samstag am ! wenigsten. Das war der Tag, an dessen verdämmerndem Ende der Vater aus der Fabrik kam, wo er die ganze Woche über arbeitete, und die so weit von der Stadt entfernt war, daß er nur über den Sonntag heimkommen konnte. Nicht daß Toni seinen Vater nicht gern gehabt hätte. Aber der Vater brachte einen so üblen Geruch mit, war so schmutzig und verschwitzt, und wenn man seine Hände ansah, so mußte man sogleich an die ungeheueren, schwirrenden Maschinen denken, vor denen Toni eine solche Angst hatte, seitdem er einmal mit der Mutter in einer Spinnerei gewesen war.
Das wäre jedoch nicht das Schlimmste gewesen. Denn wenn der Vater eine Weile daheim war und sich gewaschen und umgezogen hatte, dann verschwand der üble Geruch und seine Hände wurden ganz anders und erinnerten nicht mehr an die Maschinen, die dem Toni in seinen: ahnungsvollen Träumen die grausamen Schicksalsmächte waren, an die er sein Leben ausgeliefert fühlte.
Aber etwas anderes blieb. Und das war die üble Laune, in die der Vater verfiel, kaun: daß er eine Weile daheim war. Daß die Mutter sich auf den Samstagabend freute, der deu Vater bringen sollte, das wußte der Toni. Und auch der Vater trat ganz fröhlich und wie mit einein Lied auf den Lippen ein. Sobald die beiden Menschen aber beisammen waren, begann ein Reiben wie von Holz gegen Holz, es kam zu Vorwürfen, dann zum Wortwechsel und schließlich zu lautem Zank.
Toni behielt von dem Inhalt dieser Streitigkeiten nur so viel, daß die Mutter von dein Vater verlangte, er solle sie heiraten, und daß der Vater sich weigerte, es zu tun. Ein Wort blieb ihm im Gedächtnis, das der Vater einmal gesprochen hatte und das Toni lange nicht ins Klare bringen konnte. Das lautete: „Nichts zu nichts gibt wieder nichts". Obwohl Toni seiner Bedeutung nicht sicher war, erschien ihm dieses Wort doch schon seinem bloßen Klang nach das trostloseste, das er je gehört hatte. AuS diesen Zänkereien zwischen Vater und Mutter formte Toni eine absonderliche Vorstellung vom Heiraten. Es war ihm wie ein Tor, durch das man nur zn gehen brauchte, um gleich in einer anderen Welt zu sein,