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Hans Memling
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und Vasari, wissen wenig. Die Brüder van Eyck arbeiten um 1426, dem Todesjahr Huberts, des ältern Bruders, an dem Genter Altar. Damit haben sich der hohen Kunst neue Pforten aufgetan. Nach Jans Tode, 1440, traten einige etwas geringere Talente, Petrus Christus, Gerard van der Meire, Hugo van der Goes und andre mehr in den Vordergrund. Aber schon in Jans Leben ragt die zweite Gruppe hinein, die man wohl als die Brabanter Schule absondert: Rogier van der Wenden erhält schon 1432 seinen Freispruch in der Zunft, und schon 1436 ist er Stadtmaler in Brüssel. Im Jahre 1464 stirbt er; die zweiunddreißig Jahre schließen ein tatenreiches Leben ein. Erreicht er an Größe der Auffassung, an Tiefe der malerischen Empfindung auch die beiden Brüder van Eyck nicht, so ist er ihnen an dramatischem Leben, an Fülle der szenischen Erfindung weit voran; selbst an Feinmalerei übertrifft er sie meist. Seine Werke werden noch immer als Perlen der Galerien geschätzt.

Ob zu Nogiers Verdiensten auch die Heranbildung Memlings gehört, das ist sehr zweifelhaft. Früher nahm man es an, weil Vasari das erzählt. Aber der italienische Historiker hat für Dinge, die ihm zeitlich und örtlich so entlegen waren, längst alle Glaubwürdigkeit verloren. Indirekten Einfluß haben sowohl die beiden Brüder aus Maaseyck wie der Brüsseler Stadtmaler sicher auf den Künstler von Brügge geübt. Wie könnte das auch anders sein, wo solche Phänomene auftauchen, wo andre Einwirkungen (mit Ausnahme der ziemlich gleichzeitigen Malerschule von Köln) schon durch die geringe Entwicklung des Verkehrs sehr erschwert waren! Und zudem war ein gemeinsamer Mittelpunkt für alle drei auseinandergehenden und doch zusammengehörigen Richtungen in dem burgundischen Hof gegeben. Die Regierungszeit der vier prachtliebenden Herzoge fällt ungefähr mit der altflämischen Malerschule zusammen. Karl der Kühne stirbt 1477, Memling 1494. Auch innerlich gehören die vier Haupt­künstler näher zu dem Wirken des Hofes, als gemeiniglich der Fall zu sein pflegt, wenn man jenes und die Blüte der Kunst im Zusammenhange nennt. Jan van Enck wird 1425 als Valet de Chambre in den Dienst Philipps des Guten aufgenommen. Das will nicht viel besagen, aber wir wissen, daß der Maler ein Freund des Fürsten war und in seinem Auftrag sehr vertrauliche, vielleicht delikate Reisen unternahm. Geschichtlich steht fest, daß Jan im Oktober 1428 einen politischen Gesandten Philipps nach Lissabon begleitete, der um die Prinzessin Jsabella von Portugal werben sollte, und daß der in Frauen­schönheiten sehr sachkundige Herzog sich seinerseits die Entscheidung darüber, ob die Ehe geschlossen werden sollte, vorbehielt, bis das Bildnis Jans eingetroffen war. Es entschied. Jsabella wurde nach einem glänzenden Empfang in Brügge die Gattin Philipps, die Mutter Karls des Kühnen, die Ururgroßmutter des deutschen Kaisers Karl des Fünften (damit war Burgund an Österreich gekommen); von dessen Nachfolgern habsburgischeu Stammes wurde sie die Stammutter. Die Brautschau von 1428 hatte also weithin reichende Folgen.,