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Aus dem Lande der Freiheit : die Trinkerfrage und die Prohibitionsbewegung.
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Ans dein Lande der Freiheit

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Quark, Kartoffel- und Krautsalat usw. usw. besteht, in einzelnen Fällen aber auch warmen Braten und gebratene Austern aufweist, worin dann jeder mit derselben Gabel herumstochert, ist nicht gerade nach jedermanns Geschmack! Auch ist der Frei-Lunch" nur als Schmackhappen gedacht und nicht zur Sättigung bestimmt, weshalb die Mehrzahl der Gäste sich ausschließlich an die Getränke hält. Anderseits aber hat diese seltsame Einrichtung schon manchem armen Teufel bei Arbeits- und Verdienstlosigkeit über schlimme Fastenzeiten hinweggeholfen. Verständige Wirte drücken dazu ein Auge zu eventuell auch beide, indem sie denken:Wenn er erst wieder was verdient, kommt er wieder und läßt um so mehr springen!" In den meisten Fällen scheinen sie damit recht zu behalten.

Wie verhält es sich nun mit den Getränken, die im amerikanischenSaloon" zum Ausschau! gelaugeu? In den Städten mit starker deutscher Bevölkeruug oder iu den hauptsächlich vom Deutschen bewohnten Vierteln der anderen größeren oder mittleren Städte bildet ja vornehmlich auch das Bier das Haupt- getrünk, soust kann aber im allgemeinen immer noch der Whiskey als das amerikanische Nationalgetränk gelten. Und während nun das amerikanische Bier im großen ganzen etwa von gleicher Qualität ist wie die deutschen Biere etwa mit Ausnahme der Münchener und sonstigen besonders guten Export­biere, so können die deutschen Svirituosen auch uicht im entferntesten an die Qualität des amerikanischen Whiskey heranreichen. Jedenfalls nicht an den, welcher in allen besseren Trinklokalen verabreicht wird. Daß es auch da sehr verschiedene Qualitäten gibt, versteht sich vou selbst. Aber gerade darum, weil der Whiskey soviel besser und außerdem auch außerordentlich viel stärker ist als der deutsche Schnaps, ist er auch um soviel gefährlicher als jener!

Man muß bei diesem Unistande ein wenig verweilen, weil der Nicht­Amerikaner es meist gar nicht verstehen kann, daß ein kulturell so hochstehendes Volk, wie das amerikanische, sich zum Nationalgetränk denschnöden Schnaps" erwählen kann! Aber in der Tat unterscheidet sich guter alterKentucky Nye" oder milder alterBourbon" von oftelbischem Kartoffel-Branntwein noch mehr, als etwa Rüdesheimer oder Iohcmnisberger von Grüneberger oder gar von Bomster Schattenseite! Dabei enthält reiner alter Whiskey über 90 Prozent Alkohol den kanm 33^ bis 35 Prozent gegenüber, welche beispielsweise der Nordhäuser Kornbranntwein aufzuweisen hat.

Trotzdem vermögen alte Whiskey-Trinker Quantitäten dieses wahrhaftigen Feuerwassers bei dessen Gennß der dessen Ungewohnte tatsächlich die Empfindung hat, als bewege sich ihn: ein Fackelzug die Gurgel hinab! zu vertilgen, die man nicht für möglich halten sollte. Und zwar scheinbar ungestraft lange Jahre, ja Jahrzehnte hindurch. Daß sich solch Übermaß zumeist aber schwer rächt, braucht wohl kaum erst besonders hervorgehoben zu werden.

Weit verführerischer uud weit gefährlicher sind daher auch alle jene zahl­reichen echten amerikanischen Mischgetränke ( nicht deren Imitationen!), in deren Erfindung man drüben ganz Erstaunliches leistet. Sie alle diese Cock-tails",Whiskey-Punches",Gin-Fizzes",Mint-Juleps".Sherry- Cobblers",Floats".High Balls" und wie sie sonst noch alle in ihrer bunten Mannigfaltigkeit heißen mögen! sie munden ganz vortrefflich und sind wohl auch maßvoll genossen - keineswegs schädlich, wohl aber sind sie es um so mehr im Übermaße, zu welchen: sie durch die milde und mundgerechte Art, in der der gewandte und gut geschulteMixologe" sie her­zustellen versteht, in ganz bedenklichem Grade verleiten!