Der Austauschprofcssor
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„Hier ist kein Wagengeschäft," sagte der Wirt bedauernd. „Smid Augustin het jo eenen stahn," bemerkte der Hausknecht zu seinem Prinzipal.
„Den Landauer, dat olle Wrack," rief der Wirt entsetzt.
„Setzen Sie sich beim Chauffeur und bringen Sie uns nach Schmied Augustin," befahl Miß Granton den: Hausknecht.
Man fuhr nach Schmied Angustin. Miß Granton besichtigte den Landauer. Es war eiu bösartiger Kasten. Ohne Fenster und auch sonst vom Zahn der Zeit stark benagt. Schmied Augustin hatte ihn vom Fuhrwerksbesitzer Tuthoru für fünfundzwanzig Mark geramscht. Aber bis zu den „Vierdörfern" hin und Zurück würde er wohl halten, meinte Schmied Augustin. Und ein Pferd? Ein Pferd würde sie vielleicht beim Stallhalter Eddelbüttel bekommen. Das Ant suhr ZU Stallhalter Eddelbüttel. Stallhalter Eddelbüttel hatte ein Pferd zu verkaufen. Einen ganz schönen brannen Wallach. — Daß er mit Roßschlachter Bullerjahn wegen des Braunen in Verhandlung stand, verschwieg Stallhalter Eddelbüttel. — Das Pferd wurde nach flüchtiger Besichtigung im Stall gekauft. Eine Pferdedecke gab Eddelbüttel zu, damit die Bergstädter Jungens unterwegs ihre Mützen nicht an der alten Kracke aufhängen sollten. Und einen Kutscher besorgte er anch noch.
Miß Granton hatte also, trotz Doktor Jerums Abmahnen, ihren amerikanischen Dickkopf durchgesetzt. Auf seine Frage, was sie nach beendeter Expedition mit Roß und Wagen anfangen wolle, erwiderte sie lakonisch: „Verkansen."
Nicht so glänzend und nicht so schnell wie bei der ersten Abfahrt nach dem Kruslaker Damm ging die zweite von dannen. Die Kirche war aus, und die Kirchenbesucher: Oberpostsekretär Krause nebst Fran und Tochter Mali, Professor Graunzer und die übrigen Honoratioren sahen mit Staunen, ja Entsetzen ihren Doktor Jerum, den sie per Aut nach Persien oder sonst wohin unterwegs wähnten, in Schmied Augustins altem Droschkenwrack, gezogen von Stallhalter Eddelbüttels allerältestem Wallach, neben sich eine bildhübsche Dame, den Neger von vorhin als Groom auf dem Kutschersitz, einen: unbekannten Ziel Zustreben. Polizeisergeant Bumke blickte forschend in den Wagen und war geneigt, die Visitenkarte Doktor Jerums für eine plumpe Fälschung und ihn selbst für einen Hochstapler zu halten. Doktor Jerums Direktor nahm gleichfalls Einblick in die Kutsche und beschloß, dem jungen Mann morgen früh wegen nicht standesgemäßen, möglicherweise sogar unmoralischen Benehmens den Standpunkt klar zu machen. Und Assessor Weißnix, Buchhändler Negenschwert und Doktor Viola erkannten von lhrem Stammtisch aus den Insassen, rissen schleunigst das Fenster auf, hielten 'hre Bierkrüge hinaus und riefen: „Prost Jerum!" Ferner folgten mehrere Knaben, gewöhnliche und auch welche aus der Sexta, der Fuhre mit Hohngelächter und gaben ihrem Interesse an Stallhalter Eddelbüttels altem Wallach, dem bohren und allem, was sonst noch dahinter war, mit schnöden Witzen Ausdruck.