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Heimfahrt :
(Fortsetzung)
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Und in leisem Vorwurf fragte eine Frau: Habt ihrs gewußt, Reb Sinai, daß sie so steil sind?

Ich hab es nicht gewußt, erklärte er, aber wir werden einen Weg hindurch finden. Mit den Kindern? Und mit der Blinden?

Süßele saß auf einem wackelnden Felsblock und bat erschrocken: Sagt mir, was ihr seht!

Berge nichts als Berge einer neben dem andern einer hinter dem andern einer immer schärfer als der andre. Alles Stein nichts als Stein. Keine Bäume da droben und nichts von Grün. Schnee hier und da es ist eine Wüste, und man kann sich nicht darauf halten.

Wir werden hindurchkommen, versetzte sie fest. Uns wird es kein Unglück bringen, aber es ist ein Unglück für dieses Land; wovon soll es essen?

Wir werden essen auch in den hohen Bergen, sagte Tulpenblüt ermutigend. Wir könnten, wenn wir wollten, jetzt! Aber wir wollen nicht eher, als bis wir oben auf dem Paß sind, jetzt werden wir nur den Kindern ein wenig geben. Ist einer, der evves dawider hat?

Niemand erhob Einspruch, man hielt wohl noch aus bis zu der Höhe. Die Kleinen erhielten einige Bissen und tranken dazu Wasser.

In Fellen war etwas zu machen und in Talg, und Jossele Hirsch und sein Sohn sind beide tot! Mandels Vater, der alte Lemberger, saß mürrisch brütend am Boden und dachte laut. Als Sinai ihm strafend winkte, schwieg er.

(Fortsetzung folgt)

Maßgebliches und Unmaßgebliches

Reichsspiegel Berlin, 7. Juni 1909

(Der Besuch des Kaisers beim Zaren. Die Gegnerschaft gegen die Zusammen­kunft. Austausch von Besuchen zwischen Engländern und Deutschen. Die Lage der Reichsfinanzreform. Theodor Barth -j-.)

Der Kaiser von Nußland hat in einer sehr herzlich gefaßten Einladung an Kaiser Wilhelm den Wunsch ausgesprochen, ihn bei Gelegenheit seines bevor­stehenden Aufenthalts in den finnischen Schären zu begrüßen, und Kaiser Wilhelm hat unter diesen Umständen nicht umhin gekonnt, dem so herzlich cmsgesprochnen und politisch bedeutsamen Wunsch eine Zusage folgen zn lassen, obwohl dies eine nicht ganz bequeme Änderung in den längst getroffncn Reisebestimmungen des Kaisers mit sich bringen mußte. Die Aussicht auf diese Begegnung ruft, wie zu erwarten war, mancherlei Erörterungen der europäische» Lage hervor. Von solchen Betrachtungen war es in der letzten Zeit in der europäischen Presse einigermaßen still geworden, da nach den starken Spannungen im Frühjahr ein gewisses Ruhebedürfnis eingetreten war. Aber obgleich weniger davon gesprochen wurde, bestand doch die Vorstellung fort, daß die Ereignisse unter den Groß­mächten zwei Heerlager geschaffen hatten, daß für die Lage nach wie vor die Losung bestimmend war: hie Dreibund hie Triple-Entente! Wobei natürlich auf der einen Seite der Wunsch und die Hoffnung nicht fehlte, Italien noch auf die Seite der Triple-Entente hinüberzuziehen. Daß dieser Gegensatz der beiden Mächtegruppen kriegerische Verwicklungen herbeiführen könne, daran glaubten die