508
Die Zukunft des französischen Heeres
auf amtliches Material stützen. Aus der andern Seite aber darf die pessimistische Beurteilung der militärischen Lage, wie sie von uns nach der Darstellung des französischen Abgeordneten hier geschildert wurde, nicht dazu führen, daß wir in den Fehler verfallen, die französische Armee gering zu schätzen oder auch nur anzunehmen, daß die Verminderung des Jahreskontingents allein ausreiche, den organischen Bestand des Heeres unsrer westlichen Nachbarn ernsthaft in Frage zu stellen. Davon kann keine Rede sein. Aber M. Messimy wird ja wohl gewußt haben, warum er ein wenig Sand in die Augen gestreut und in seinen Angaben das wichtige Gebiet der Kapitulationen, auf dem jetzt die ersten Erfolge seit Einführung der zweijährigen Dienstzeit errungen werden, nur so oberflächlich gestreift hat. Werden darin auch noch lange nicht alle Hoffnungen des Gesetzgebers auf Erhöhung des Friedensstandes der Armee erfüllt, so ist doch ein Fortschritt zu erkennen, an dessen Möglichkeit manche Pessimisten nach so vielen Enttäuschungen auf diesem Gebiete schon nicht mehr recht glauben wollten. Es haben daher möglicherweise die 2384 Mann, die im Jahre 1907 mehr als das Jahr zuvor Kapitulationen eingegangen sind, höhere Bedeutung als nur den zahlenmäßigen Unterschied. Es kann der Beginn einer stetig nach aufwärts steigenden Periode sein, also das Resultat der jahrelangen Bemühungen der Negierung, den einzelnen Chargen die Vorzüge, die ihnen aus der Kapitulation erwachsen, immer annehmbarer zu machen. Um auf die einzelnen Chargen der Kapitulanten etwas näher ein- zugehn, weil damit ganz lehrreiche Betrachtungen verknüpfbar sind, so kapitulierten von den im ganzen 10414 Unteroffizieren (im Vorjahre 9923) 7399 nur auf zwei Jahre und darunter, 1452 auf drei, 199 auf vier und 1260 auf fünf Jahre. Es ist also bei der Mehrzahl der Unteroffiziere noch das Bestreben vorhanden, sich zunächst nicht über zwei Jahre hinaus zu verpflichten, um die ihnen schon nach insgesamt vierjähriger Dienstzeit zugestandne kleine Zivilversorgung in Anspruch zu nehmen. Daneben aber zeigen die zum zweiten-, dritten- und viertenmale eingegangnen Rengagements auf ein bis fünf Jahre von 5743 Unteroffizieren, daß es schon jetzt eine ganze Anzahl von Leuten dieser Charge gibt, denen die Aussichten auf eine bessere Zivilanstellung durch Längerdienen verlockend genug sind, um angestrebt zu werden- Und selbst die geringe Zahl von 980 Unteroffizieren, die zur Beendigung einer höchst zulässigen fünfzehnjährigen Dienstzeit behufs Erlangung einer Pension neue Kapitulationen abgeschlossen haben, ist auch ein günstiges Symptom und ein Beweis, daß die frühere grundsätzliche Abneigung gegen so lange Dienstzelt in der Abnahme begriffen ist. Also Fortschritte sind ohne jeden Zweifel festzustellen, und wenn sie anhalten sollten, dann stürzt wahrscheinlich Messimys großes Rechengebäude mit den aufzulösenden fünf Armeekorps doch noch in sich zusammen.
Auch noch andre Momente sind vorhanden und geradezu wie geschaffen, uns vor einer falschen Beurteilung der französischen Armee und ihres