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Eisenkonstruktion und Eisenstil
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Schuld?

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die modernen Bahnhofsanlagen zum Beispiel in Hamburg oder Lübeck. In diesen Wartesälen und Wandelhallen hat plötzlich das Eisen seine nüchterne Kälte verloren und eine trauliche Wärme bekommen, die dem mit Recht für Innendekoration so beliebten Holz in nichts nachsteht.

Es kommt somit doch nur auf die Gestaltungskraft der schaffenden Ingenieure und Künstler an. denn auch in dem modernen Material des Eisens lassen sich ästhetische Wirkungen erreichen, die den Erfolgen mittelalterlicher Meister in dem ungleich leichter zu verwertenden Material des Steines und des Holzes gewiß in nichts nachstehn.

Schuld?

von Ilse Leskien

eit acht Tagen fror es, und es war ein starker, gleichmäßiger Frost, der die Heidewasser bis auf den Grund erstarren ließ und auch über den dunkeln Moorteich in der Senkung eine weißliche Decke zog. Schnee gabs noch nicht, doch ging seit zwei Tagen ein Nebel im Walde um, und als er nun vor dem kühlen Glanz der Dezember- svnne langsam entwich, ließ er schimmernden Rauhreif zurück. Die alten Kiefernhäupter, die sonst so schwarz und düster den jungen Wald überragen, hoben sich nun weißleuchtend vom lichtblauen Himmel ab. Die Fichten glitzerten silbern von oben bis unten, und die vereinzelten Buchen und Birken hatte der Nebel so reich mit feiuem, eisigem Laub geschmückt, daß sie sich unter dem Nadelholz stattlich hervortaten, fast wie im Frühling im ersten Grün. Auf der breiten Landstraße, die von der Stadt her sanft ansteigend zur Ramberger Sägemühle führt, hielt inmitten des weißen Heidewaldes ein Fuhrwerk mit zwei derben Pferden davor, die den Atem so kräftig zogen, daß ein feiner Rauch um Me Köpfe stand. Drei Männer waren nm den Wagen beschäftigt mit dem Ver­laden junger Fichten, die als Christbäume nach der Stadt kommen sollten, denn d"s Fest .^cht mehr weit. Der eine war ein Forstbeamter mit grüner Mütze, die beiden andern Waldarbeiter.

Der ältere, ein kleiner verkrümmter Mann mit hartem, gelbem Ledergesicht, band die sich sträubenden Äste der jungen Bäume mit Strohseilen zusammen. Sein Gefährte griff vom geschichteten Haufen immer zwei, drei Stämme auf einmal auf und beförderte sie mit starkem Schwung auf den schon halb gefüllten Wagen. Es war ein Mann in den Vierzigern, groß und breitschultrig mit rotem, graumeliertem ^?art und hellen Augen, von ganz anderm Schlage als die aus seinem Dorfe. Aie waren mehr wie der Förster, untersetzt von Gestalt und dunkel von Haar und ^ugen. Ramberg lag an der Grenze, und slawische Abstammung verriet sich in der Erscheinung der Dorfbewohner. Der blonde Holzfäller Brandtner fiel unter Men auf, und man rühmte und beneidete seine Größe und Kraft.

Die Arbeit machte ihn warm, so hatte er trotz der Kälte die Joppe an den Straßenrand geworfen und stand da in einem grauwollnen Hemd, das sich fest an den kräftigen Rumpf legte und das Spiel der Muskeln bei jedem neuen Griff wennen ließ.

Bisher war es ganz still gewesen in dem silberweißen Walde um sie her. ^tzt klang von der Seite ein feines Schwirren herüber, ein Geräusch wie von Grenzboten II 1909 57