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Die Vier : eine Schulgeschichte
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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stch gezogen aus lauter Gnade, noch ehe es die eigentliche Mühsal der Welt, noch ehe es die Sünde kennen gelernt hat, und hat uns durch diesen kurzen Schmerz vor manchem Kummer, vor mancher Sorge bewahrt. Und da ich täglich mit unserm Kinde vereint sein werde im Gebet, so wird es das Band knüpfen zwischen Himmel und Erde, das uns verbinden soll mit der himmlischen Heimat, der auch wir zustreben.

Aber ich bin schuld an seinem Tode, an deinen. Schmerze! stöhnte der Professor.

. Du haft das Beste gewollt nach deiner Meinung und in gutem Glauben. Weil es vielleicht zu irdisch gedacht war, hat ihn der Herr zu sich genommen. Du aber, hebe dein Haupt und übe an andern, was dir an deinem eignen Kinde nicht gelang, Hingebung, Milde und Nachsicht.

So rang sie sich heldenhaft, sieghaft durch den gewaltigen Schmerz infolge der Festigkeit ihres Glaubens, den sie ihr Kind gelehrt hatte, und durch den sie mit ihrem Lieblinge auch nach dem Tode verbunden blieb.

Das Begräbnis Helmut Erlers wurde zu einer großen Beileidskundgebung für die Eltern. Der Geistliche sprach ergreifend, ebenso der Klassenlehrer, der deni Entschlafnen ein herrliches Zeugnis durch seine Worte ausstellte. Am tiefsten bewegt war Dr. Turner. Die Worte des Arztes und die erschütternde Tragik des Falles Helmut Erler trugen dazu bei, daß er von seinem starren, pedantischen Standpunkte abging, und da er an sich ein guter, nur allzu pflichteifriger Mensch war, so wurde aus dem gefürchteten und verhaßten Lehrer bald ein Liebling aller Klassen, in denen er unterrichtete.

Maßgebliches und Unmaßgebliches

Reichsspiegel Berlin. 16. Mai 1909

(Brindisi und Wien. Die Regierung und der Reichstag. Die Wertzuwachs­steuer. Die Liberalen und die Reichsfinanzreform.Beamtentage.")

Am 14. Mai hat Kaiser Wilhelm unter unbeschreiblichem Jubel der Bevölkerung seinen Einzug in die Wiener Hofburg gehalten, um dort den treuen Verbündeten unsers Reichs, den ehrwürdigen Kaiser Franz Joseph, zu begrüßen. Zwei Tage vorher hatte die Begegnnng mit König Viktor Emanuel in Brindisi stattgefunden. Wenn die Aufnahme, die unser Kaiser in Wien gefunden hat, diesesmal ini Zeichen einer ganz besondern Herzlichkeit nnd Begeisterung stand, so ist das nicht zu ver­wundern. Die persönlichen Beziehungen zwischen den beiden Herrschern sind von jeher von besondrer Wärme und Herzlichkeit erfüllt gewesen, und jetzt kam iwch hinzu, daß die politischen Ereignisse der letzten Monate den Wert dieser Be­ziehungen nnd des zwischen den Staaten bestehenden Bündnisses den Volkern greifbar vor Augen geführt hatten. Wir freuen nns aufrichtig, daß die öster­reichische Hauptstadt bei dem Empfang des Kaisers so stark und deutlich das Be­dürfnis fühlte diese bundesfreundlichen Empfindungen zu bekunden und unserm Kaiser Ehren zu erweisen, die in einer solchen freudigen Begeisterung nur selten einem Herrscher in einer fremden Hauptstadt zuteil werden. Wir können nns dieser Aufnahme um so unbefangner freuen, als es sich hier nicht bloß um den Augen­blicksrausch handelt, dem die Bevölkerung einer Großstadt noch dazu einer genußfreudigeu wie Wien leicht unterliegt, sondern um die in Überzeugungen wurzelnden, festen Grundlagen einer Stimmung, zu der auch die Politiker, wenn