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Die Reichsversicherungsordnung. 2
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Die Reichsversicherungsordnung

der übrigens nur mäßigen Vermehrung desBeamtenheeres" der Sache selbst ein wesentlicher Dienst erwiesen wird, und daß die Autoritäten des Ver­sicherungswesens neuerdings eine geschlossene berufliche Vorbildung auch für die Beamten der Sozialversicherung fordern.

Die Hinterbliebnenversicherung stellt ein Glanzstück der Reichsver­sicherungsordnung insofern dar, als sie auf die Lösung eines Problems hin­steuert, dessen Verwirklichung in dieser Weise und in solchem Umfange noch niemals und nirgend unternommen worden ist. Vor einem Jahrzehnt galt die Einbeziehung der Witwen und Waisen in die Sozialversicheruug vielfach selbst wohlwollenden Optimisten als ein phantastisches Wagnis, über das sich wohl erbaulich reden und schreiben ließe, das jedoch erst in ferner Zukunft tat­sächlich in Erscheinung treten werde. Unleugbar hat man es dem Zentrum zu danken, daß im Reichstag ein der Entwicklung vorgreifender fester Ent­schluß zustande kam. Wie erinnerlich, ließ das Zentrum bei der ersten Lesung des Zolltarifgesetzes im Jahre 1902 erklären, daß die Mehreinnahmen aus den agrarischen Zöllen für soziale Zwecke verwandt werden und in erster Linie der Witwen- und Waisenfürsorge zugute kommen sollten. Obgleich das Zentrum in den nachfolgenden parlamentarischen Verhandlungen von seinem anfänglichen Standpunkte beträchtlich zurückwich, folgten Regierungen und Mehrheitsparteien nur widerstrebend, unter Äußerungen skeptischer Beurteilung, der ausgegebnen Parole. Die freisinnige Volkspartei wollte sich der unge­wissen Zukunftsmusik überhaupt nicht anbequemen, und auf konservativer Seite war man eher geneigt, die anzusammelnden Reserven zur Erleichterung der Invalidenversicherung nutzbar zu machen. Die Sozialdemokratie aber suchte die Anträge des Zentrums in jeder Richtung zu übertrumpfen, indem sie beispielsweise beantragte, das Gesetz nicht erst bis zum Jahre 1910 hinaus­zuschieben, sondern zugleich mit dem Zolltarifgesetz zu verabschieden, obgleich noch in keiner Weise Klarheit über die Grundlinien einer Witwen- und Waisen- versichernng bestand. Ferner sollte auch der Mehrertrag von den Zöllen auf Buchweizen, Hirse, Malz, Obst, Graupeil und Grieß für die Versicherungszwecke in Anspruch genommen werden. Diese Liste wurde späterhin noch weiter aus­gedehnt; die Mehrerträge aus sämtlichen Nahruugsnnttclzöllen sollten den Grundstock für die Witwen- und Waisenversicherung bilden, und was hiernach an Zuschüssen noch fehlen sollte, wurde schlankweg einer Reichscinkommenstcuer vom Vermögen derer, die aus der Zollgesetzgebung materielle Vorteile ziehen könnten, zur Last gelegt.

Ob das Zentrum, als es die bekannte Lex Trimborn im Reichstage damals durchdrückte, der Überzeugung gewesen sei, daß sich die Hinterbliebnen­versicherung auf diesem schwankenden Boden werde durchführen lassen, ist für die Gegenwart nebensächlich. Der an sich verfehlte Plan hat sich auch in bezug auf das materielle Ergebnis nicht bewährt, denn bis zu Anfang 1909 waren erst 46,7 Millionen Mark dem Hinterbliebneufonds zugeflossen. Schon