Beitrag 
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Seite
204
Einzelbild herunterladen
 

204

Maßgebliches und Unmaßgebliches

Stellen hervorgehoben, die interessante Aufschlüsse über markante Persönlichkeiten, über das Wesen wichtiger Kultnrerscheinnngen geben. Ans diese Weise wird uns eine hochbedeutsame Zeit wieder lebendig, verständlich, und das ist doch schließlich das, worauf es ankommt sowohl für den künstlerisch genießenden Leser wie für den Kenner der Zeit, der gern nn einer neuen Veranschaulichung seine Vorstellungen mißt. Namensregister nud Anmerkungen sowie die schöne Ausstattung sind anzu­erkennen; jedoch leistet sich Gnndelfinger in seiner Einleitung manche Übertreibung, manch allzu persönliches Urteil. Man kann E. M. Arndt in seinem Alter nicht einenkümmerlichen Gesellen" nennen. Wahrscheinlich kennt Gnndelfinger die außerordentlich phantasievollen und sprachlich tiefen Altersgedichte Arndts nicht. Ich empfehle gerade ihm dereu Studium. Hans Bcnzmann

Shakespeare in deutscher Sprache. Eine neue monumentale Shakcspeare- ansgabe") ist, obwohl wir keine solche, die einem modernen Geschmack entspricht, besitzen, immerhin ein gewagtes Unternehmen. Shakespeare ist derartig populär in Deutschland, daß alt und jung, reich und arm, sein Genüge in einer soge­nannten Klassikerausgabe gefunden hat und findet. Nuu gibt es allerdings sehr viele, die sich eine besonders stilvoll ausgestattete Shakespeareausgabe wünschen, eine Ausgabe, die auch wählerisch in der Übersetzung ist, die alle Dramen in einer von einem einheitlich gerichteten Geiste zeugenden Übersetzung wiedergibt und doch jedes Stückes individueller Eigenart voll Genüge tut. Man hat an allen bisherigen Übersetzungen Kritik geübt. Es würde sich wohl lohnen, einmal von jedem Stücke die relativ beste Übersetzung herauszunehmen, sie mit knndigem, untrüglichem Sinn zu berichtigen, wo es notwendig ist, uud dann alle diese Meisterleistungen zu­sammenzustellen. Ob nicht doch Stil und Art der verschiedenste« Übersetzer dis­harmonisch wirkt? Ob dieses subjektive Auswählen dem subjektiven Empfinden und Verstehen, dem Kunst- und Kulturfilm der Leser entspricht oder immer entspricht? Es ist ein gefährliches Unternehmen. Aber daß es einmal in die Wege geleitet wnrde, ist zunächst anzuerkennen. Friedrich Guudolf, selbst ein Dichter aus der Schule Stefcm Georges, der freilich dem Volksdichter Shakespeare nicht gerade nahe steht, hat dieses Unternehmen begonnen. Wir sehen einen sich äußerlich monu­mental repräsentierenden Band vor uns, den Melchior Lechter etwas üppig in den Zierleistungen, in der Drucktype usw. ausgestattet hat- doch wird die Shakespeare­stimmung durch diese Mischnng von Gotik und Renaissance durchaus nicht gestört. Im Gegenteil, mir scheint diese Feierlichkeit der Größe des Geuius und dem Charakter der Zeit, der ja auch er angehört, der Renaissance, zu entsprechen. Leider scheint der Druck von der Gegenseite hier und da durch das Papier störend hindurch. Gundolf hat hauptsächlich die Übersetznugen von Angnst Wilhelm Schlegel heran­gezogen, die er von offenbaren Fehlern reinigen will, dazn kommen seine Neuüber- tragungen und die relativ besten nicht-schlegelschen Übertragungen. Der erste vor­liegende Band enthält die Nömerdramen Corivlanns, Julius Cäsar, Antonins uud Kleovatra. Hiervon hat Guudolf deu Corivlan uud Autvuius uud Kleoparrci üb r- setzt. Die Übersetzung hat ihre feinen sprachlichen und künstlerischen Reize; doch man muß sich in ihren Ton, gleichsam in ihr Nervensystem erst hineinlesen. ..^____ Hans Benzmann

*) Herausgegeben und zum Teil neu übersetzt von Friedrich Gundolf. Gesamte Ausstattung von Melchior Lechter. Erster Band: Die Nömerdramen. Broschiert 6 Mark, Leinen gebunden 7,60 Mark, Leder 12,50 Mark. Berlin, Georg Bondi.

Für die Herausgabe verantwortlich Karl Weisser in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig Druck von Karl Marauart in Leipzig