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Wilhelm von Polenz
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Wilhelm von Polenz

Trübe, Lebensausschnitte aus dem Daseiu armer Sachsengänger, das Schicksal Verstoßner, wie es schon die ersten Novellen an andern Stoffen gegeben hatten. Plastisch tritt aus dem Kreise der kleinern Schwestern die 1899 erschienene NovelleWald" hervor. Hier handelt es sich nicht um Standestypen, um große, breite Lebensschilderung wie in den Romanen der Reife, sondern um zwei Menschen, die in der Abgeschlossenheit eines riesigen Forstes mit Naturnot­wendigkeit über die Schranken einer liebeleeren Ehe hinweg durch ihr Blut zueinander getrieben werden. Mit feiner Kunst spinnt Polenz seine Gestalten und uns mit ihnen in das Schweigen und das lautlose Werden des Waldes ein, der dieses Geschickes Werden und Fallen umgibt. Ganz unsensationell, ohne die Zuspitzung seiner ersten Novelle verläuft der Konflikt bis zu einem Ende, das unvermittelt erschiene, wenn es nicht wie aus dem Walde selbst heraus­geschritten käme; denn als Opfer des Waldes fällt der Held der Erzählung von der Hand eines Wilddiebes, fällt, da er eben seine Pflicht erkannt hat und ausgegangen ist, seine Schuld durch männlich offne Tat zu sühnen.Wald" ist eins der schönsten unter den Werken, die dieser Dichter uns hinterlassen hat, zugleich das mit den stärksten lyrischen Reizen.

Wilhelm von Polenz war kein Poet wie etwa Detlev von Liliencron oder Carl Spitteler, weder so groß noch so ganz absoluter Dichter. Mit Gotthelf war er verwandt, aber doch nicht Volksschriftsteller wie dieser, sondern weit mehr Kulturschriftsteller, weniger naiv, wie es der große Schweizer trotz seiner umfasfenden Bildung immer blieb, aber darin freilich ihm und Gustav Freytag uahe, daß er die Wirkung auf sein Volk immer im Auge hatte. Er war in jeder Zeile echt und wahr, unromantisch und schon darum nicht gut Zola an die Seite zu stellen, mit dem ihn Bartels zusammenhält. Er sah ja das Leben, soweit es sich ihm auftat, viel klarer und echter als der große Franzose. Und ich empfinde nicht recht, warum Bartels diese Parallele überhaupt gebraucht. Ich meine, es genügt zu sagen, daß Polenz ein großer Schriftsteller, ein be­deutender Lebensdarsteller, vor allem ein ganz natürlicher Schriftsteller war, wenn auch selten ein naturalistischer, was nicht immer dasselbe ist. Er hat von den Gesetzen der Flur gesagt:Stille sein in Frömmigkeit lehren sie uus, aber auch jenen unbezwinglichen Optimismus, der Glauben gibt, Glauben an das Leben, den Mut, es auf uns zu nehmen, das Bewußtsein unsrer Kräfte und den Willen, sie zur Entfaltung zu bringen." Ein echt deutsches Bekenntnis im Sinne jenes tiefen Raabischen Wortes, das da beginnt:Was wird, wird still; eine Blume, die sich erschließt, macht keinen Lärm." Und so bedeutet denn Wilhelm von Polenz gerade in Zeiten, da die Dichter dem politischen Leben, den täglichen Nöten unsers Volks abgewandt dastehn, eine kaum zu überschätzende Kraft. Er kann uns da selbstverständlich viel mehr sein als große Ausländer, mögen sie ihn auch poetisch überragen. Und er hat durchaus das Zeug dazu, mit seinen besten Werken, auch rein auf das Dichterische hin angesehn, noch sehr lange zu leben. Auch seinBüttnerbauer" ist, wie Gotthelfs erstes Werk,