Wilhelm von polenz
fehlt in dem Literatenroman „Wurzellocker" der Mann, der uns wirklich nahe kommt. Der Dichter Fritz Verting ist nicht über den auch von andrer Seite so oft dargestellten Typus der Menschen hinaus gelungen, die, wie Fontane fagt, das Moralische aus dem ästhetischen Fonds bestrciten. Wir glauben nicht recht, was wir doch glauben sollen: daß er wirklich ein bedeutender Künstler ist, und versteh« im Grunde nicht, warum Heinrich Lehmfink, sein positiver Gegenspieler, eine prächtige Gestalt, den Mann so ernst nimmt. Auch kommt es der Schilderung des Literatentreibens, in dem einzelne glänzende Typen auftauchen, wie der Journalist Silber-Karol, nicht zugute, daß es Polenz nach Dresden verlegt hat. Ich meine, er fühlte nicht die Kraft und die Sicherheit in sich, es in Berlin oder München, in dem ganzen Strudel jener tollen Jahre zu gestalten, in denen auch seine schriftstellerische Arbeit begann. Aber wiederum lebt eine warmblütige und reizvolle Mädchengestalt in diesem Milieu, Bertings Geliebte Alma, und da ist es denn freilich für Polenz bezeichnend, wie echt und voll er diese Frau gibt, weltenfern von jener Verhältniständelei, die wir sonst so oft, zuletzt noch, unerfreulich genug, in Arthur Schnitzlers „Weg ins Freie" auftauchen sahn. Nicht der seiner Pflicht vergeßne Liebhaber, sondern sie behält noch im Tode das letzte Recht, ein Abschluß, der ebenso dichterisch wie ethisch ganz positiv und gerade in diesem Roman „Wurzellocker" wurzelecht wirkt.
Der unvollendete Roman „Glückliche Menschen" hätte über diese Arbeiten hinaus vermutlich wieder ein Meisterbuch ergeben. Man fühlt ordentlich, wie Polenz das Herz schlug, wenn er hier wieder seine Liebe zur Scholle ganz ausströmen lassen konnte: „Ernst hatte es früher nicht so gewußt, daß der ganze Beruf des Landmanns auf Glauben gestellt ist. Der Mann, der vom Erdreich das Wachsen und Gedeihen seiner Früchte verlangte, mußte an viele, viele verborgne Dinge glauben, die er nicht erklären konnte; er mußte hoffen können, während er im herbstlichen Nebel lebte, daß die Sonne wieder scheinen und daß sie aus der braunen Scholle das Wunder der grünen Halme erst und der wogenden Ährenfelder später hervorzaubern werde. Nichts stärkte den Glauben an die Kraft des Lebens und an den Reichtum der ihm innewohnenden, un- erforschlichen Keime so innig wie das langsame, aber unaufhaltsame Emporsteigen der jungen Ernte aus den kahlen Feldern.... Nun erschienen sie alle wieder, die alten Bekannten, von denen wir in den trüben Wintertagen glaubten, sie seien auf Nimmerwiedersehn verschwunden. . . . Das war die erste rührende Kindesschönheit des Frühlings, die alles verheißt und leicht an das Größte glauben macht." Wieder sollte hier, wie im „Grabenhäger", das Leben eines Persönlich freilich anders gearteten Rittergutsherrn geschildert werden, und wir haben den Glauben, daß es der Hand gelungen wäre, die die Feder zu früh niederlegen mußte.
Polenzens spätere Novellen, Dorfgeschichten, sind lockere, nicht ohne Laune gegebne Skizzen. Dörfliches Kleinleben können wir verfolgen, bäuerliche Starrheit und Verschlagenheit, dann aber wieder knrz gegebne Geschicke von schwerer Grenzboten II 1909 25