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Wilhelm von Polenz
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Wilhelm von Polen;

andern Gegend diese sozialpolitische Agitation, die der junge Versammlungs- besucher anstaunt, ihre Wellen auf die Güter und die Dörfer hinaus schlägt, wie zugleich das mobile, rasch erworbne Kapital in alte Herrensitze einzieht, das gibt nun derGrabenhäger", rein ästhetisch genommen Polenzens bestes Werk, ohne die Stärke desBüttnerbauern", aber vielleicht noch abgeschliffner. Es fehlen die ganz großen, drastischen Szenen, wie jener Selbstmord, aber es liegt eine zusammenhängende Reihe von Bildern vor uns, deren Ausmalung überall gleichmäßig die Hand eines feinen Poeten verrät. Wieder tönt das WortPflicht", wie so oft bei Polenz, durch die Zeilen. Der junge Rittergutsbesitzer von Kriebow lernt erkennen, daß er die lange vernachlässigte und durch skrupellose Geldausgaben verschuldete väterliche Flur nur halten kann durch eigne, nimmer­müde Arbeit. Und er erkennt, daß er verantwortlich ist auch für die, die ihm bei der Arbeit helfen, die nicht seine Fröner sind, sondern seine ihm anver­trauten Mitarbeiter. Nicht auf Verwischung der Unterschiede geht Polenz ans, aber auf Hervorhebung dessen, was über jene vom Pfarrer von Breitendorf empfundne Kluft Menschen und Volksgenossen einigt. Was der freiherrliche Held der DorftrngödieJunker und Fröner" als Sohn einer längst vergangnen Zeit nur dunkel ahnt, wird in Erich von Kriebow lebendig. Er streift die Anschauung ab, die den Menschen halb unbewußt nach adlicher Abkunft und äußerer Korrektheit bewertet, und tritt mit dem einfachen, armen Laudedelmann und dem bürgerlichen Besitzer der Nachbarschaft arbeitend in eine Reihe. Dabei aber hilft ihm seine Frau, eine Gestalt von großer Feinheit, die in einer weichen, aber ganz reinen Seele ihm zuliebe vieles überwindet und den Äußerlichen zur innern Glückseligkeit zurückführen hilft. Neben ihr steht hier nun auch der Pfarrertypus, den Polenz wohl als den endgiltigen Geistlichen seines Herzens empfand, der treue Sohn der Kirche, der aber aus ihr eine soziale Kirche machen will, nicht im Sinne einer Herrschermacht, sondern im Sinne einer Dienerin nach den Worten unsers Heilands.

Man darf nicht sagen, daß sich Wilhelm von Polenz mit diesen beiden Werken ausgegeben hätte; aber er hat sie nicht wieder übertroffen oder erreicht. Seine andern Romane geben alle kein restloses Bild, und in ihnen zeichnen sich die Schwächen von Polenzens Darstellungskunst sehr viel deutlicher ab. In ihnen tritt wieder, wie in dem ersten, eine ungefüge Breite hervor, sie zeigt sich etwa in der unnötigen Aufrollung vieler Lebensläufe, die für die eigent­liche Verflechtung der Handlung kaum von Interesse sind und ablenken, anstatt weiterzubringen; er fühlte sich eben in diesen neuen Problemen nicht so zu Hause wie in jenen der beiden Meisterbücher.Thekla Lüdekind" ist ein liebens­wertes Buch, aber die Heldin macht uns nicht recht warm. Die eigentliche Frauenbewegung, deren Grenzen und deren Berechtigung Polenz wohl sah, wollte er nicht gestalten; aber die Konzentration auf ein Herzensschicksal ist auch wieder nicht voll gelungen; es fehlt Thekla von Lüdekind der ebenbürtige Gegner, ebenbürtig in seiner menschlichen, nur anders gewandten Kraft und ebenbürtig in der dichterischen Bezwingung durch seinen Darsteller. Und ebenso