Wilhelm von Polen;
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zwei der größten Werke, der besten Romane, die wir überhaupt in diesen Jahrzehnten empfangen haben. In diesen beiden vor allem wird der Schriftsteller Potenz, dessen Verwandtschaft mit Jeremias Gotthelf Barrels glücklich hervorhebt, zum Dichter. Er schreitet über die Scholle, der seine Kindheit und dann wieder seine reifen Mannesjahre zu eigen waren, und findet auf ihr den Ertrag, den er dann in die Scheuer bringt. Gustav Freytag hatte liebevoll aber doch als Städter, als Bürger das Land geschildert und die drohenden Mächte der Zerstörung, die dem schlecht wirtschaftenden Gutsbesitzer drohen; bei Polenz kam dieses Empfinden aus der Hcrzenstiefe eines gebornen und überzeugten Landedelmannes, der freilich nicht genug harte Worte finden konnte für den brutalen Klassenegoismus vieler seiner politisch geeinten Standesgenossen. »Diese lachenden Fluren — Gottes Segen schien auf ihnen zu ruhen. Der Acker wollte seinem Pfleger so gerne zurückerstatten mit Zinsen, was er an Liebe ans ihn verwendet. Der Boden wollte dem die Treue halten, der ihm treu gewesen war. Halm an Halm drängte sich. Konnte der, dem solche Ernte in die Scheuer lachte, nicht guten Mutes sein? Durfte es dann wirklich eine Macht geben auf der Welt, die ihm diesen Erntesegen, den der liebe Gott doch für ihn hatte wachsen lassen, streitig machte? Es kam wie ein großes, dunkles Gespenst über die Felder gehuscht, ohne Beine und doch schnellfüßig — der Schatten einer treibenden Wolke. Es löschte allen Glanz von den Ährenwellen, es wischte die Farbenpracht der bunten Fluren aus, es legte sich wie ein düstrer Ton über alles. Der Schatten eilte über Haus und Hof, über die Feldmark in ihrer ganzen Breite, dem Walde zu." In solcher Darstellung lebt die tiefe Anhänglichkeit des Landkindes an das Vatererbe, dem es Gefahr drohen sieht, und aus solcher Empfindung hervorgequollen wirkt nun die Geschichte Traugott Büttners mit starker Eindringlichkeit. Ein Bauer mit allen Vorzügen und allen Fehlern seines Standes, wieder kein heldenhafter Charakter, sondern ein guter, dabei ganz individuell gegebner Vertreter des reinen Typus, fällt der eignen Ungewandtheit, seinem altväterischen Beharren, der Überschuldung und der Ausbeutung durch schurkische Ehrenthals zum Opfer, die nun fünfzig Jahre jünger sind als die Wucherer Gustav Freytags, aber nicht menschlicher, nur geschickter geworden sind und das Recht auf ihrer Seite haben. Der Selbstmord des verzweifelten, ganz einsam gewordnen Bauern im Frühling, angesichts der eben sich frisch begrünenden Felder, ist Poetisch wohl Polenzens Meistcrleistung.
Meisterlich auch, wenn auch mehr ein kleiner als ein großer Zug, wre sich dieser Bauernstamm zur Stadt stellt, wie der junge Büttner mit weitaufgerißnen Augen die proletarische Agitation der Großstadt in sich aufnimmt: „Gustav hatte das Bewußtsein, etwas Großes erlebt zu haben. Eine Ahnung war ihm aufgegangen, daß es Kämpfe gab in der Welt, von denen er daheim, wenn er hmter den Pferden einhergeschritten war, sich nichts hatte träumen lassen. Ein Vorhang war weggerissen worden vor seinen Augen, der ihm eine ganze Welt verborgen gehalten hatte." Wie unter andern ländlichen Verhältnissen, in einer