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Was das Jahr 1908 gebracht hat
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Deutsch-slawische Beziehungen

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in der Opposition nicht imstande, einen andern Reichskanzler zu präsentieren. Vollends den Gedanken, die schwererrungne Macht des Kaisertums verfassungs­mäßig einzuschränken, weil sie gelegentlich Mißgriffe getan hat von dein Standpunkte ans hätte man das allgemeine Wahlrecht schon mehrmals ab­schaffen müssen!, den müssen alle nationalgesinntcn Deutschen aufs entschiedenste von sich weisen; zwischen den Kaiser und sein Volk sollen sich keine Schatten drängen, auch nicht die Parteien, die noch lange nicht das Volk darstellen, und am aller­wenigsten höfische Cliquen. Auch ein regelmäßiger Zusammentritt des Vundes- ratsansschusses für auswärtige Angelegenheiten wäre entweder wirkungslos, also unnütz, oder würde die Einheit und Energie unsrer auswärtige,: Politik hemmen und lahmen in Momenten, wo sie diese Eigenschaften im hervorragendem Maße haben muß. Jede moralische Verantwortung ist etwas ganz Persönliches und gibt der juristischen erst den Wert; in einer Mehrheit trägt keiner für sich die volle Verantwortung, kann auch rechtlich uicht zur Verantwortung gezogen werden. Oder wen hätte man für die lähmenden Beschlüsse über Südwest­afrika, die zur Auflösung des Reichstags führten, zur Verantwortung ziehn sollen, da doch jeder einzelne Reichsbote für seine Abstimmung uud seine Reden staatsrechtlich unverantwortlich ist? Um so schwerer muß er die sittliche Ver­antwortlichkeit empfinden.

Und jetzt steht eine der allerwichtigsten Fragen zur Entscheidung des Reichs­tags, die Neichsfinanzrcform. Sie bedeutet nichts geringeres als die Antwort auf die Frage, ob das deutsche Volk auf seine Weltstellung verzichten will oder entschlossen ist, sie zu behaupten. Noch wogen die Meinungen wirr durchein­ander; im Volke selbst aber, das alljährlich soviele Millionen für teilweise ganz wertlose Vergnügungen ausgibt, tritt leider in breiter Ausdehnung eine Stimmung hervor, die einen höchst unerfreulichen Eindruck macheu müßte, wem: sie entscheidend wäre: die Neigung, gegen alle möglichen Steuerprojekte als un­gerechte Belastung zn protestieren. Das ist nicht die Weise eines großen Volks, sonder» eines kleinen Geschlechts in einem großen Moment. »

Deutsch-slawische Beziehungen

Line Skizze von George Lleinow

l ie Beziehungen zwischen Deutsche,: und Slawen lasse:: sich in drei große Perioden einteilen, die etwa um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ihren Abschluß fanden. Das gegenwärtige Stadium darf als eine vierte Periode bezeichnet werden.

Die erste Periode umfaßt jene weit zurückliegenden Jahr­hunderte, in denen der deutsche Mönch, der Kaufmann vom Rhein und von der Donau sowie schließlich der Deutsche Ritterorden die slawische Mark durchzogen,