Reifezeit
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Doktor Roland hat am ersten Tage seines Hierseins eine so brillante Heilung ausgeführt. Irgendein armes Schulmeisterlein vom Lande, das anscheinend hoffnungslos dahinsiechte, ist durch ihn wieder gesund gemacht worden. Die Einzelheiten weiß ich nicht, aber da ich am Schwcmenweg wohne, sehe ich täglich Hilfesuchende in das kleine häßliche, gelbe Haus gehn, in dem Doktor Roland wohnt.
Die Sache mit der Heilung wird wohl anders zusammenhängen, entgegnete die Frau Rektor gelassen. Aber ich würde mich freuen, wenn Doktor Roland zu tun bekäme. Mein Mann ist sehr überbürdet. Aber wollen wir nicht einen kleinen Jnibiß einnehmen?
Der kleine Imbiß bestand aus feiueu Butterbroten, Salat und so diel Champagner, daß ich fast wie ein Student gesungen hätte, als mich der kleine Privatdozent nachher heimgeleitete. Aber ich nahm mich zusammen, versuchte über Michelangelo zu sprechen uud horchte andächtig auf seine weisen Gegenreden. Er ist sehr jung und deshalb über alle Maßen klug.
Walter saß natürlich noch am Schreibtisch und arbeitete an seinen populären Vorträgen. Für jeden erhalt er in jeder Stadt dreihundert Mark. Fünf Städte wollen drei haben, also gibt es einen hübschen Batzen Geld. Dann können wir auch einmal Champagner geben und die Lente für uns Theater spielen lassen. Soweit sind wir noch nicht. Vorderhand muß ich meine Rolle spielen uud mir natürlich viel Mühe geben. Rektors sind sehr freundlich gegen mich, auch die andern Herrschaften. Sie freuen sich, wie sie sagen, daß wir etwas aus unsrer Znrückgezogenheit herauskommen. Aber gestern und heute ist Harald wieder mit einer schlechten Zensur nach Hause gekommen. Er kann es nicht vertragen, wenn ich nicht mit ihm arbeite, und ich mußte meiue Rolle lernen und mir einiges für mein Kostüm besorgen. Ich habe nur ein Dienstmädchen und ein ganzes Haus zu versorgen; wenn das Geld für die Vorträge einkommt, will ich mir lieber etwas Hilfe nehmen, als andre Menschen bei mir Champagner trinken lassen.
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Die Gesellschaft beim Rektor ist gewesen und verlief zur Zufriedenheit. Walter sagte mir nachher, daß ich alles am besten gemacht hätte, das Theaterspiel und was sonst mit dem Fest zusammenhing. Er ist immer zufrieden mit mir, ich kenne es schon nicht anders, aber daß sogar der Herr Rektor geruhte, mir einige anerkennende Worte zu sagen, wurde als große Auszeichnung für mich betrachtet; früher war ich nur Luft für den Geheimen Medizinalrat, und ich verdiente es nicht anders. Mein Mann war nur Außerordentlicher, hatte keine Verbindungen und suchte sich keine. Nun. wo er in die Reihe der Ordentlichen eingetreten ist, ist er natürlich mehr Mensch geworden, und ich, als seine Frau, darf mich huldvoller Ansprache rühmen.
Der Geheimrat war in der Tat sehr liebenswürdig.
Man hat Sie immer so wenig gesehen, Gnädigste! Sind Sie wirklich ganz Hausfrau und Mutter?
Ob ich beides ganz bin, Herr Geheimrat, weiß ich nicht. Ich möchte es schon.
Er lächelte freundlich. Wie die Männer es an sich haben, wenn sie ans ihr Lieblingsthema kommen.
Der schönste Beruf einer Frau! begann er. — Da fiel sein Blick auf seinen ersten Assistenten, der mit einem fremden Herrn auf ihn zukam. Doktor Roland, stellte er vor und zog sich dann zurück, während sich mein alter Jugendgenosse vor dem Magnifikus verbeugte.
Ich muß um Entschuldigung bitten, zu spät gekommen zu sein. Aber eine eilige Sache —