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Reifezeit : Roman : (Fortsetzung). 2
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Reifezeit

Roman von Lharlotte Niese (Fortsetzung) 2

etzt sind wir wieder in Bärenburg eingezogen. Es ist keine große Residenz, sondern ein winkliges Universitätlein. Hier ein leeres Schloß mit historischer Vergangenheit; dort einige holprige Gassen,- recht ansehnliche Universitätsbauten und dazwischen der Studeut und der Philister.

Wir gehören natürlich zu den Philistern. Unser Häuschen liegt etwas vor der Stadt; wir haben ein nettes Gärtcheu und einen Ausblick auf hübsche Waldberge. Im Sommer sind diese Berge lebendig. Da singt und spielt der Student tagtäglich in ihnen; aber jetzt liegen sie iu tiefem Schweigen da. Denn wir habeu noch nicht den fünfzehnten Oktober; noch ist kein Student herbeigekommen, der Bären- burger Philister seufzt über seine leeren Zimmer, und manches hübsches Kind über ihr leeres Herz.

Wir siud zeitig heimgekommen. Erstens Haralds wegen, dessen Schule schon lange begonnen hat, und dann hat Walter viel zu arbeiten. Er will populäre Vorträge iu mehreren süddeutschen Städten halten, die dann später als Buch er­scheinen sollen. Früher hat er immer über die Populäre Wissenschaft gelacht, gerade wie Professor Müller, der gefürchtete Kritiker der Fachblätter; aber jetzt will Walter Geld verdienen. Ein wenig nötig hätten wirs schon; als Außerordentlicher war Walter nicht gerade glänzend gestellt, nnd mein Kapital, das mir von meinem Onkel, Bodo Falkenberg, vermacht wurde, ist allmählich darauf gegangen. Mir macht es nichts aus; aber Walter will anfangen zu sparen für mich und für Harald. Er sagt, wenn er aus der Welt ginge, dann hätten wir nichts. Aber warum sollte er gehn? Er ist noch jnng und hat eine gute Gesundheit. Weshalb also die populäre Wissen­schaft anrufen, damit unsre Sparkassenbücher inhaltsvoller werden? Walter lächelt zerstreut, wenn ich so mit ihm spreche; nnd er sitzt hinter seinen dicken Büchern und destilliert einen feinen Tee für höhere Töchter und ernstdenkende Frauen.

Mir ists natürlich recht, wieder daheim zu sein. Iu meinem Häuschen und im Garten, der voll von Herbstblumen steht. In meinem Wohnzimmerchen, das den Namen Salon nicht ertragen würde, und wo ich hinter Mullvorhängen gerade so glücklich bin wie manche Geheimrätin hinter ihren Spitzenstores. Wir sind sehr einfach ein­gerichtet; aber jedermann findet es behaglich, sogar die neue Magnifika, die aus einem reichen Fnbrikcmtenhaus ist und sich kaum vorstellen kann, daß man ohne Smyrnateppiche glücklich sein kann. Ich frene mich immer, wenn die Menschen gern zu nns kommen; aber Gesellschaften geben wir nicht. Wir haben nicht die Mittel dazu und verkehren darum nur freundschaftlich in einigen gleichgesinnten Familien. Niemals entbehre ich Mittagsgesellschaften und Abendessen; aber es tut mir leid,