Amerika und die Dauerhaftigkeit seiner politischen Verhältnisse 259
Grund übertriebner Preise im Jnlande ihren Überschuß erzwungen wohlfeil nach dem Auslande abstößt. Die mächtigen Trusts ziehen den Hauptvorteil aus dieser Politik. Sie sind es, die die Kassen der republikanischen Partei füllen und für die Propaganda durch Wort und Schrift unglaubliche Summen aufwenden. Sie sind dabei mit Noosevelt in Streit geraten, denn ihm wurde dieses System zu arg. Wohin sich der Sieg neigen wird, weiß man noch nicht. Der Drang nach Erwerbung solcher Märkte ist jahrzehntcalt. Er trat schon Ende der siebziger Jahre auf. und zwar als Versuch, die Monroelehre auch auf den Handel anzuwenden. Der europäische Handel sollte soweit wie möglich durch den amerikanischen ersetzt werden. Aus Gründen, deren Entwicklung uns hier zu weit führen würde, hatten die übrigen amerikanischen Staaten wenig Neigung, darauf einzugehn.
Bald tauchte für diese Bestrebungen der Name „Panamerikanismus" auf. Ein eifriger und einflußreicher Politiker der republikanischen Partei, Senator Blaine (mehrmals Staatssekretär des Auswärtigen, auch Präsidentschaftskandidat), betrieb sie lange Zeit. Er strebte einen engen Zusammenschluß ganz Amerikas auf vielen Gebieten. Münze. Maß. Gewicht. Rechtsschutz. Schiedsgericht. Monroedoktrin. vor allem aber gegenseitige Zollbcgünstigung an. Unter seiner Ägide tagte 1889/90 ein panamerikanischer Kongreß in Washington. Er starb im Januar 1893. doch blieb sein Gedanke am Leben, denn 1901/02 trat zum zweitenmal iu Mexiko. 1906 zum drittenmal in Rio de Janeiro ein solcher Kongreß zusammen. Vorübergehend wurden ansehnliche Erfolge erreicht. Es gelang Blaine. mit verschieden amerikanischen Staaten und sogar mit Kolonien europäischer Mächte sogenannte Gegenseitigkeitsverträge abzuschließen, kraft denen jene den Nordamerikanern und wiederum diese ihnen Zollermäßigungen zugestanden, an denen Europa keinen Anteil hatte. Die Kleinern fanden jedoch, daß sie sich dabei nicht gut stünden, und so erloschen die Verträge allmählich wieder, wozu auch beitrug, daß für 1892 bis 1896 die relativ freihändlerische demokratische Partei in den Vereinigten Staaten ans Ruder gekommen war.
In den letzten Jahren ist der Panamerikanismus auch offiziell wieder aufgenommen worden. Staatssekretär Root benutzte die Abhaltung des panamerikanischen Kongresses in Rio de Janeiro, um eine Rundreise durch die Hauptstädte der südumerikanischen Republiken zu machen. Überall wurde er herzlich aufgenommen, besonders in der Kongreßstadt Rio de Janeiro, und hier trug er auch einen realen Erfolg davon, einen neuen Gcgenseitigkeitsvertrag. Vorläufig blieb dieser jedoch vereinzelt. Natürlich wurde in Europa das Wiederaufleben der Versuche, die nordamerikanischen Erzeugnisse in andern Teilen der westlichen Halbkugel zollpolitisch zu begünstigen, mißfällig aufgenommen. Es geschah jedoch nichts dagegen. Europa ist viel zu zersplittert, als daß es sich zu gemeinsamen Schritten aufraffen könnte.
Spuren von Zusammenschlüssen Amerikas sind auch sonst noch hervorgetreten. Von Argentinien ging die Drago-Calvolehre aus: zum Grundsatz zu