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Neue Kunstbucher
gute Illustrationen, zum Schluß auch ein paar farbige unterstützen, kommt mancherlei lehrreiches zur Sprache. Das Buch ist jedoch nur ein Versuch. Oft bleibt der Verfasser noch im Geistreichen stecken, oft ist auch die Betrachtung und die aus ihr fließende Darstellung zu ungenau. Von Tintorettos bekanntem „Hochzeitmahl zu Kana" sagt Haendcke: „Ganz an das ^so) Ende eines lang und gerade in den Raum hineingeführten Tisches sitzt der Heiland, sodaß die Aufmerksamkeit des Beschauers keineswegs ihm zuerst entgegeneilt. Künstlerisch hat Tintorctto aber den Herrn dadurch zum Zentralpunkt gemacht, daß er sämtliche Richtungslinien der Architektur sich im Haupte Christi schneiden läßt." In der Tat fällt der Blick — nach einem ersten zerstreuten Schauen — sofort unfehlbar auf Christus: man sieht die Tafel entlang senkrecht in die Tiefe dorthin, wo vor dunkelm Grunde die kleine Heilandfigur im Heiligenschein sichtbar wird, weil sich in der Nähe — nicht auf ihm, das wäre ein der Tintorettoschen Barockkunst nicht gemäßer, zu primitiver Effekt gewesen — die perspektivischen Linien sammeln, auf der Brust eines mitten im linken Fenster in der letzten Tiefe des Saales stehenden Mannes. Oder um ein modernes Beispiel zu wählen: wie kann man an Millets Sciemann mit den Worten heranführen wollen: „Eine absolut reizlose Landschaft, ein wenig belebter, kalter Himmel, ein unbestelltes Feld, auf ihm der schreitende Mann", wenn der Blick auf einen weiträumigen, hinten zum Hügel ansteigenden, in der Bestellung befindlichen Acker gegeben wird, dessen schlichte, aber große Eigenschaften eben seine Reize sind, und wo sogar die romantische Note nicht fehlt, indem vorn dem tätigen Gegenwartsarbeiter in der Ferne der verfallne Turm einer einstigen Ritterburg, unmittelbar neben dem Bauernhut in das Bild gestellt, kontrastiert wird, die Turmwand die hellste Stelle, der Bauernkopf die dunkelste des Bildes, von Gestrüpp, Vogelschwarm und Gewölktreiben zu schweigen. Auf all die folgenden subjektiven Bemerkungen „in der Bewegung des rechten Armes liegt ein Ausdruck von Größe, um nicht zu sagen von Schöpfergröße; ja die ganze Figur atmet diese Großheit" verzichten wir gern und sagen schließlich, daß der Hauptwert dieses — bestechend ausgestatteten — Buches in seiner immerhin deutlichen Absicht liegt.
Zwei Monographien seien nun betrachtet. Martin Spähn, der bekannte Straßburger katholische Historiker, hat einen eigentümlichen Versuch gemacht, das Entstehen von Michelangelos Malereien in der Sixtinischen Kapelle, das in den letzten Jahren wiederholt Gegenstand eines eindringenden, rein kunstwissenschaftlichen Studiums gewesen ist, nun wiederum auf das engste mit der Papstgeschichte jener Jahre und — einem Bestandteil der römischen Liturgie zu verknüpfen. Er glaubt, in der Karsonnabendliturgie das anregende Erlebnis für den Maler zu seiner großen Konzeption gefunden zu haben. Uns haben diese Darlegungen nicht so eingeleuchtet, wie wir es von einer solchen Hypothese erwarten müssen. Spähn preist zwar jene Liturgie lebhaft; wer aber von der römischen Kirchenmusik um 1500 eine vollständigere Vorstellung hat, kann in ihr nur ein musikalisch sehr bescheidnes und ganz im Schatten stehendes