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Menschlichkeit : eine sprachliche Betrachtung
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lNenschlichkelt

liMß'NtmKsit, äg.llKdiZ.cköit, ißköit hat sich die Wortausgänge los und lmkt er­obert (KoKiiullFslosiZlWit, klirkntigMg'Kkit). Gründe des Wohlklangs sind zunächst bei der Abgrenzung der Gebiete maßgebend gewesen. Dcmu folgt der Zwang der Analogie. Oft ist der bloße Zufall, die Willkür im Spiele, wie das so oft im Leben der Sprache der Fall ist. Manchmal werden durch die Wahl des Anhängsels auch Unterschiede der Bedeutung markiert wie in den Wörtern Klöinllöit und KlöimAlcöit. Zu beachten ist, daß die niederdeutschen Idiome, das Englische einbegriffen, von den eben geschilderten Abirrungen des Sprachgefühls frei geblieben sind. Der Mecklenburger Laurenberg zum Beispiel (1590 bis 1658) schreibt röcilionllöit, AssollioKIiollNöit, og-millörtiollsit (die Ab­leitungssilbe hätte eigentlich Iisä zu lauten, llsit ist schon ein Zugeständnis an die hochdeutsche Schriftsprache), und wenn sich bei Reuter und andern Bildungen wie krüllälionlisit, llisäörträolltiA'Kmt, Klöilliklcoit finden, so sind das Entlehnungen aus dem Hochdeutschen, die jedoch längst volles Bürger­recht erlangt haben. Vollends die nordischen Sprachen sind bei dem, wie schon oben bemerkt, aus dem Niederdeutschen bezognen llsci (llst) geblieben; ls.ng8g.rn.llst heißt es im Schwedischen, nicht I».llg8itmli6t.

Übrigens stehen diese hypertrophischen Gebilde nicht vereinzelt da. Wenn ich Tischler sage, empfinde ich gewiß die Silbe lsr als ein selbständiges Wort­element. Sie ist aber entstanden aus 1 und er. Es ist die weitverbreitete Ableitungssilbe er (mittelalterlich asre, althochdeutsch ari aus dem lateinischen g.rio.8), die sich das l aus den l-Stämmen geholt hat. (Im Plattdeutschen heißt es noch heuteBischer".) Bei dem Worte Kölllsr ist das Verhältnis ohne weiteres klar. Aber schon in Wörtern wie bsttlsr, llsälsr, imglsr empfinden wir die Gruppe Isr als die Bildungssilbe, obwohl das 1 doch ebensogut wie in Lölllsr zum Grundwort gehört. Dann folgen Bildungen wie tisolller, öüllktlöi', trkiLvQärlsr, in denen das 1 seine Berechtigung nicht mehr zu erweisen vermag. Ebenso stehts mit den Suffixen ner (vtorwsr) und linZ- (sollmkttsrlillA), von denen das eine aus n und er, das andre aus I und mg- hervorgegangen ist. Auch in andern Sprachen, zumal im Griechischen und Lateinischen, läßt sich das Anwachsen mancher Bildungssilben durch Attraktion des Wortauslauts beobachten.

Kehren wir nun zum Ausgang zurück. Was das Wort Menschlichkeit sagen will, ist jetzt wohl klar geworden, es bedeutet den Zustand des menschlich seins.

Wir setzen jetzt die Zergliederung fort und trennen ein weiteres Glied vom Wortkörper ab, nämlich die Silbe l!oll. Sie ist ebenfalls der erstarrte Überrest eines ehemals vollwertigen Dingworts. Denn 1!oll (gotisch loik, ge­sprochen UK) bedeutete den Leib, den Körper, wir kennen es als die Be­zeichnung des entseelten Leibes in der neuhochdeutsche« Lautform Leiche und Leichnam, althochdeutsch liollollaino, das ist die Leibeshülle (Immo ist das Grundwort zu Hemd), wie es auch in dem heute aus falscher Prüderie ge- miednen Worte leionclorn und in dem nur noch in Mundarten erhaltnen