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Menschlichkeit
welchem Verhältnis steht sie zu dem verbleibenden Rest? Man hält sie auf den ersten Blick natürlich für ein einheitliches Wortelement. Aber dem bewaffneten Auge stellt sich die Sache anders dar. Die Silbe keit ist aus zwei Elementen zusammengewachsen, aus dem durch den Buchstaben c oder k bezeichneten Gutturallaut und der aus Wörtern wie Kindheit oder Christenheit bekannten Bildungssilbe heit. Diese hat sich als selbständiges Vollwort etwa bis zum zweiten Jahrtausend unsrer Zeitrechnung behauptet und dauert in Mundarten bis ans den heutigen Tag, nnd es bedeutete die Art und Weise, die Beschaffenheit eines Gegenstandes oder einer Person, auch die Person selbst. So auch im Gotischen das vollere Wort IiMus, sodaß Wulfila das griechische r^o-ry) durch aUaim daläura, das ist die Mehrzahl: auf
alle Arten, wiedergegeben hat. Und mit negativem Pronomen heißt es in Otfrids Krist 21 viksineru Keits, d. i. »ullo nioäo, auf keine Weise, durchaus nicht, alls tdris dsits meint die drei Personen der Trinitüt, und sbsndsit ist 80«jali8, der Genosse. Auch iu der Neuzeit kommen Wendungen vor wie: von MN^sr nait von Jugend auf oder in svKimxtW Kalt — scherzweise und so fort. Aber in vorhistorischer Zeit muß das Wort einmal den Glanz, die Helligkeit bedeutet haben, das beweist schon seine Verwandtschaft mit dem Adjektivum heiter, worin sich der Grundsinn unverändert behauptet hat. Heute lebt das alte Wort in gesonderter Existenz eigentlich nur noch in den nordischen Sprachen fort; es stellt sich im Isländischen als Ksiär, im Schwedischen als Keäsr, im Dänischen als dsiäsr dar, das sind die lautgesetzlichen Entsprechungen des eben erwähnten gotischen daiäus. Man versteht darunter heute „die Ehre", eine leicht begreifliche Metapher des Grundbegriffs. Das gleichnamige Adjektivum Ksiär hat im Isländischen wenigstens die Grundbedeutung des Glanzes wie das deutsche „heiter" gewahrt. Auf deutschem Boden aber hat das alte Wort, in der Schriftsprache wenigstens, seine Selbständigkeit völlig eingebüßt; es ist zur Bildungssilbe erstarrt und drückt dann die Wesenheit oder den Zustand des in dem Grundworte liegende» Begriffs aus. So bezeichnet Kindheit den Zustand des Kindseins, Kühnheit den des Kühnseins usw. In gleicher Weise sind die englischen Bildungen vliilänooä, voirikmnooä usw. zu erkläre», deren zweiter Bestandteil aus dem angelsächsischen b.Z.6 — dsit hervorgegangen ist. Einfache Entlehnung aus dein Niederdeutschen ist das schwedisch-dänische Kot in Ausdrücken wie löstet oder g-rtiZKst oder almL-ndst und so fort.
Wenn nun aber der Fall eintrat, daß das erste Glied der Komposition eines der mit der Bildungssilbe so oder iv (später i^) gebildeten Adjektiv« wie svsv oder Ksilso oder 8aslso u. a. war, so verwuchs das Suffixum nsit mit dem gutturalen Auslaut des Grundwortes zu unorganischer Einheit. Anstatt Ksilso-Iisit, 8g.s1ev-b.sit, svsob.sit sprach man, indem man das 0 zur Bildungssilbe herüberzog, KsilsKsit, 8Aö1sKsit, sveksit. Der Aussprache folgte die Schreibung, und man findet die Ligatur schon in Handschriften des drei-