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Kirche und Staat in Frankreich. 2
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Menschlichkeit

Freiheit und bei völliger Unabhängigkeit voneinander vermöchten Staat und Kirche ihre sehr verschiednen Aufgaben zu lösen. Ich weiß nicht, ob die Anekdote allgemein bekannt ist, mit der dieser erste Band des Werkes schließt. Napoleon besprach eines Tages das Konkordat mit Volney. Frankreich will es, sagte er, Frankreich fordert es von mir.Wenn nun Frankreich einmal die Bourbonen verlangte, würden Sie ihm auch die geben?" Ein Fußtritt in den Magen, der den kecken Professor zu Boden streckte, und der Befehl an die Diener, den Herrn in seinen Wagen zu befördern, war die Antwort. Die vorgebliche Restauration des Altars hatte nur den Zweck, für ihn den Thron zu restauriereu." Im zweiten Bande werden wir ohne Zweifel er­fahren, wie der Verfasser über die Kirchenpolitik der gegenwärtigen Macht­haber denkt.

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Menschlichkeit

Eine sprachgeschichtliche Betrachtung

!an ist gewohnt, das Wort Menschlichkeit in dem Sinne, wie es heute meist gebraucht und praktisch betütigt wird vielleicht mehr betätigt wird als in der Zeit, wo es in aller Munde war und als vielsagendes Schlagwort galt, mit Herder in Ver­bindung zu bringen. Herder, nimmt man im allgemeinen an, habe das Wort, wenn nicht gerade geprägt, aber doch in dem heute geltenden Sinne zuerst angewandt und in Umlauf gebracht. Das ist aber nur halb richtig. Herder hat das Wort allerdings definiert, er versteht darunterdas erbarmende Mitgefühl des Leidens unsrer Ncbenmenschen, die Teilnahme an den UnVollkommenheiten ihrer Natur und das Bestreben, diesen zuvorzukommen nnd ihnen abzuhelfen". Aber er will doch lieber an dem altüberlieferten Worte Humanität festhalten;denn, sagt er, leider hat man. in unsrer Sprache dein Wort Mensch und noch mehr dem barmherzigen Wort Menschlichkeit so oft eine Nebenbedentung von Niedrigkeit, Schwäche und falschem Mitleid angehängt, daß man jenes nur mit einem Blick der Verachtung, dies mit einem Achsel­zucken zu begleiten gewohnt ist." Überdies reicht nach Herders Meinung der Sinn des Wortes Humanität noch weiter. Humanität ist nach Herder alles, was den Menschen recht eigentlich zum Menschen macht und ihn von den Tieren unterscheidet, sein Charakter, sein Adel, seine Bestimmung, kurz ein Begriff, zu dem der Gegensatz Brutalität ist. Aber auch iu diesem Sinne gilt bekanntlich das Wort Menschlichkeit, wie es denn zum Beispiel Goethe in den bekannten Versen gebraucht hat:

Alle menschlichen Gebrechen Sühnet reine Menschlichkeit.