Maßgebliches und Unmaßgebliches
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geübte Praxis, die jedoch die Techniker schwerlich anerkennen werden. In seiner Erwiderung wiederholte der Minister ein altes Wort. Er erklärte nnter cmderm, er glaube auch nicht, daß einer, der die Bankunst erlernt habe, Lust finde, Kassen zu verwalten und Personalien zu bearbeiten.
Sind das wirklich die Verwaltungsgeschäfte der Eisenbahnen? Liegt hierin das A und O aller Eisenbahuverwaltung? Wohl schwerlich! Hier wurde uur die Oberfläche der Geschäfte gestreift. Etwas tiefer muß man steigen, soll sich uns das Wesen zeigen. Wieder macht sich der große Mangel bemerkbar, daß in unserm Ab- geordnetenhause kein einziger höherer Eisenbahntechniker sitzt. Die wenigen Techniker aber bringen für die ungeheuer komplizierte Verwaltung und die Milliardenztffern des Eisenbahnetats eine nicht bis ins einzelne gehende Sachkenntnis mit.
In Wahrheit ist die Kasscuverwaltung nur ein Teil der sehr wichtigen Fiuauzverwaltuug. Mit der Bearbeitung der Personalakten aber ist die Regelung des gesamten persönlichen Dienstes verbunden.
Gerade die Finanzverwaltung ist der wichtigste Teil aller Verwaltungen. Daß aber die bisherige juristische Finanzpolitik ein jämmerliches Fiasko erlitten hat, läßt sich nicht mehr bestreiteu. Allgemein sind die Klagen über die Unübersichtlichkeit und Unklarheit des Eisenbahuetats. Vou zahlreichen Rednern zum Eiseubahuetat wurde dies mit allem Nachdruck betont. Für 1909 soll bekanntlich der Eisenbahnetat vou diesen Mängeln befreit sein. Die übertriebne Sparsamkeit führte zu einer außerordentlich knappen Ausstattung der Staatsbnhnen an Betriebsmitteln. Dieser Übelstand soll nun äußerst rasch beseitigt werden. So rächt sich der Mangel des technisch-wirtschaftlichen Einflusses in den leitenden Stellen.
Der Techniker zieht die Trassen der Bahnen, baut Brücken und Tunnels, Empfaugsgebäude und gewaltige Rangierbahnhvfe, berechnet die Kosten uud sucht durch immer größere technische Fortschritte den Betrieb rentabler zu machen und die Sicherheit zu fördern. Aber an der Erhaltung und Ausgestaltung der maschinellen und baulichen Anlagen, an der Einstelluug der Beamten und Arbeiter auf Bahnhöfen und Werkstätten, an der Regelung der Dienstdauer der Beamten und Arbeiter, an der Abfassung der Dienstanweisungen wirkt er entscheidend nicht mit. Von der letzten Entscheidung in diesen Diugen ist und soll der Techniker ausgeschlosseu bleiben, obwohl dafür nur die technisch-wirtschastliche Vorbildung die sachlichen Gesichtspunkte gibt, und obwohl das Assessorexamen zum Richter und Anwalt die passende Grundlage gibt, nicht aber zur Verwaltung eines wirtschaftlich-tcchnischeu Riesenbetriebes.
In Österreich schließen sich die Techniker zu einer Union der Techniker zusammen. Auch in Deutschland wird ein Verband der höhern Techniker entstehn. Was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Der deutsche Richterbund sollte der deutschen Technikerschaft ein Ansporn sein, ihre eignen Interessen in dieser Zeit nicht zu vernachlässigen. Wir gehn einer neuen Zeit entgegen! Im alten Agrar- staat Preußen, als noch der größere Teil der Bevölkerung Landwirtschaft betrieb, war der kreiseingesessene Landrat der geborne Techniker des damaligen Wirtschaftslebens der Nation. Ihm gilt Bismarcks lautes Lob in seinen „Gedanken und Erinnerungen" vor dem, der Ar uud Halm nicht kennt. Hente stehn wir im Zeitalter des Verkehrs. Die Technik ist ein neuer Wirtschaftsfaktor im Leben der Nation geworden. Aus der Pflege des Verkehrs erwächst uns Wohlstand. Wo Lnndräte Kanäle baue», ist die Zeit nicht mehr fern, wo der Techniker der geborne Landrat des preußischen Landratkreises wird. Künstlich wird heute noch da, wo die reine Bau- und Maschinentechnik aufhört, der Wirkungskreis des Technikers begrenzt. Die Übersicht über das Ganze, der Ausstieg zu den leitenden Stellen bleibt ihm verschlosfen. Der Schöpfer wird von seinem Werke verbannt.
Wenn sich nnter solchen Umständen rückgratfeste Abgeordnete zum Sprachrohr der Technik macheu, wenn durch die gesamte Technikerschaft der Ruf zur