438
Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren
warm außer uns die Kleebergsche Menagerie, das Doppelkarussell von Viel, das Dampfkarussell von Albert Kitzmann, Taggesell mit seiner Rutschbahn, Augoston mit seinem Zaubertheater, Philipp Leilich und Johann Schichtl mit dem Marionettentheater. Schicht! bewährte sich hier wieder in seiner Kunst, das Publikum anzulocken und trotz aller Konkurrenz den Vogel abzuschießen. Da das Publikum wenig Neigung zeigte, die Buden zu besuchen, sondern sich nur gaffend ans dem Platze umhertrieb, mischte sich Schichtl sehr auffällig als Engländer gekleidet unter das Publikum, bewunderte seine eigne Bude, stieg die Treppe hinan, faßte den Rekommandeur am Kragen und wirbelte ihn im Kreise um sich herum, wodurch die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Schichtlsche Geschäft gelenkt wurde. Als er dann in der Bude verschwand, drängten sich die Umherstehenden ihm nach, in der sichern Erwartung, daß der Engländer darin weitem Unfug treiben werde.
Natürlich war noch eine Anzahl kleinerer Geschäfte, wie Schießbuden, Photographiebuden und PMusse anwesend. Das Geschäft dauerte von drei Uhr Nachmittags bis ein Uhr Nachts und war ganz ausgezeichnet.
Von Frankfurt fuhren wir aufs Geratewohl nach Erbach im Odenwald zum Wiesmmarkt. Mit uns zusammen traf dort ein andres Dampfkarusfell ein, dessen Besitzer, mit Namen Mehl, uns erklärte, er komme schon viele Jahre nach Erbach, und er würde uns, wenn wir ihm keine Konkurrenz machen wollten, fünfzig Mark Entschädigung zahlen. Damit waren wir einverstanden und ließen unser Geschäft deshalb vier Tage auf der Lore stehn. Wir Angestellten hatten nun freie Zeit, und da wir in Frankfurt große Reichtümer gesammelt hatten, hielt ich es für angebracht, meinen Kollegen in einer Schcmkbude auf dem Platze ein Fäßchen Bier zum besten zu geben, das wir am Abend zusammen austranken, und wobei die Schichtlsche Kapelle konzertierte. Als die Gemütlichkeit ihren Höhepunkt erreicht hatte, brach plötzlich ein furchtbares Unwetter los, und ich bemerkte bei einem besonders starken Donnerschlag, daß ich allein in der Bude war, und daß meine Festgenossen schon das Weite gesucht hatten. Ich machte mich deshalb auch auf und suchte mir in der pechschwarzen Nacht meinen Weg nach dem Schützenhause, wobei ich mich mit Hilfe der Blitze orientierte. Im Schützenhaus fand ich sämtliche Kollegen wieder, und wir blieben noch bis gegen drei Uhr am Morgen in sehr gehobner Stimmung beisammen.
Von Erbach gings zum Schützenfest nach Gera. Dort erhielt unser Geschäftsführer einen Brief vou der Menagerie Böhme, die damals in Pirmasms war, worin mitgeteilt wurde, daß der Tierbändiger Schlöpfer von seinen vier Löwen zerrissen worden sei. Er hatte ein Pferd geschlachtet und hatte versäumt, die dabei getragne Kleidung mit einer andern zu vertauschen, war in eine Meinungsverschiedenheit mit seiner Schwiegermutter geraten, und um den Streit zu beenden, ins Wirtshaus gegangen, wohin ihm die Schwiegermutter gefolgt war. Da sie ihm auch hier keine Ruhe lassen wollte, hatte er sich wieder in die Menagerie begeben uud mit den Worten: Hier werde ich wohl Ruhe haben! den Löwenkäfig betreten, wo er sich nach seiner Gewohnheit mitten unter seinen vier Zöglingen zum Schlafen niedergelegt hatte. Die Löwen hatten anfangs keine Notiz von ihm genommen, dann war aber das jüngste der Tiere durch den Blutgeruch der Kleidung munter gemacht worden, hatte Schlöpfer zuerst beschnuppert und dann angebissen, worauf dieser nach der Futtergabel schrie, mit der er sich zu verteidigen gedachte. In demselben Augenblicke stürzten sich die drei andern Löwen ebenfalls über ihn her, und ehe Hilfe gebracht werden konnte, war er so zerfleischt, daß er am folgenden Tage starb. Seine Angehörigen brachten die Leiche nach St. Johann, wo sie in der Familiengruft beigesetzt wurde.
In Gern herrschte der merkwürdige Brauch, daß die Schützen jeden der Prinzipale arretierten und unter Musikbegleitung auf die Wache brachten, wo er einen Geldbetrag in der Höhe von zehn bis zwanzig Mark zum besten der Schützengesellschaft zahlen mußte. Mutter Kitzmann erlitt dasselbe Schicksal und