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Schulfragen. 1. Die Überbürdung auf den höhern Schulen
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Schltlfragen

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ist geradezu ein Hohn auf die gesunde Vernunft. Dabei ist es bezeichnend für unsre radikalen Frauenrechtlerinnen, daß sie zwar das Bestehende in Grund und Boden hinein verdammen, aber an dessen Stelle nur eine Kopie der Einrichtungen der höhern Knabenschulen zu setzen vermögen, daß sie alle die Einrichtungen, die man dort schon als überlebt und verkehrt erkannt hat, auf die höhern Mädchen­schulen übertragen wollen und mit denMädchengymnasien" den Gipfel der Weisheit erstiegen zu haben glauben. Unfruchtbarkeit! Doch zurück zu den Maßregeln, die geeignet sind, die Schäden unsrer heutigen höhern Schulen zu beseitigen oder zu verringern!

Vor allem muß eine Herabsetzung der Stundenzahl und für die Großstädte die Einrichtung erstrebt werden, daß alle Stunden am Vormittag gegeben werden, die Nachmittage aber frei bleiben oder nur zum Turnen, zum Spiel oder zu Ausflügen der mannigfachsten Art in die Umgebung der Stadt verwandt werden. So kämen wir auf eine wöchentliche Stundenzahl von dreißig; denn mehr als fünf Stunden am Vormittag zu geben ist von gesundheitlichem und pädago­gischem Standpunkt aus kaum empfehlenswert. An der Oberrealschule in Elber- feld hat man jahrelang sechs Lektionen zu fünfundvierzig Minuten an einem Vormittag erteilt, und zwar, wie der Direktor versichert, mit dem besten Erfolg und unter allgemeiner Zustimmung von Schülern und Eltern, bis schließlich die rauhe Hand eines preußischen Provinzialschulkollegiums dem interessanten Versuche durch ein kategorisches Verbot ein Ende gemacht hat. Fest steht jeden­falls durch viele Beobachtungen, daß anch die unter den ungünstigsten Be­dingungen erteilte fünfte Vormittagsstunde immer noch besser ist als jede Nach­mittagsstunde, die außerdem den Schüler seelisch bedrückt und das Gefühl der Freiheit nicht aufkommen läßt. Der ungeteilte Vormittagsunterricht in Ver­bindung mit der Befreiung der Nachmittage von jedem Unterricht wird auch schon deshalb kommen, weil die ganze soziale und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands zur Einführung der englischen Arbeitszeit zwingt. Das hier näher auszuführen, hat keinen Zweck. Von mancher Seite wird gegen die freien Nach­mittage eingewandt, daß die Schüler dadurch ins Bummeln geraten und scheitern könnten. Dieses Bedenken erscheint grundlos; mit demselben Recht könnte man jede Sonntagsruhe und jede weitere Verkürzung der Arbeitszeit im Handels­gewerbe und in den Fabrikbetrieben ablehnen. Außerdem gilt auch hier der Satz: Es müssen Jünglinge gewagt werden, wenn wir tüchtige Männer be­kommen wollen. Daß in den Großstädten der Unterricht nicht vor acht Uhr Morgens beginnen darf, auch im Hochsommer nicht, ist zweifellos. Der Nach­teil, daß die fünfte Stunde dann in die heißeste Zeit des Tages (12 bis 1 Uhr) fällt, kann dadurch beseitigt werden, daß man das Schuljahr Ende Juni oder Anfang Juli schließt und Ende August oder Anfang September das neue be­ginnen läßt. Übrigens besteht in Hamburg die Einrichtung des ungeteilten Unterrichts, der sogar in die Stunden von neun bis drei Uhr fällt, schon seit vielen Jahren zu allgemeiner Zufriedenheit.

Eine notwendige aber heilsame Folge der Herabsetzung der höchsten Stunden­zahl auf dreißig wird die Einschränkung sein, daß jede höhere Schule nur zwei fremde Sprachen als Pflichtfächer treiben darf. Die Oberrealschule ist ja schon