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Afghanistan
Das ist gerade das Wertvolle an der Städteordnung, daß sie dem Bürger nicht nur das Schwatzen erlaubt, sondern ihn in der Verwaltungsarbcit erzieht. Als bloßes Regierungsinstrument wäre für diesen oder jenen materiellen Zweck die Präfektur eines Regierungskommissars vielleicht praktischer. Aber die Selbstverwaltung soll, wie ein Oberbürgermeister sehr gut gesagt hat, die Allgemeinheit erziehn. Das ist ihr politischer Daseinszweck. Fängt man an um einer kurzsichtigen Wohlfahrtsgesetzgebung willen die Selbstverwaltungskörper zn bevormunden, so nimmt man ihnen die Seele, das Gewissen, das Gefühl der Verantwortlichkeit, man nimmt das Wörtchen „selbst" aus der Selbstverwaltung, und übrig bleibt nur der passive Begriff Verwaltung, das Sichregierenlassen, die Unmündigkeit.
Unsre Wohnungsreformer sind der Meinung, sie könnten oder müßten die Sittlichkeit stützen oder heben. Auch Geistliche und gute Christen glauben, gutes Wohnen könne die Sittlichkeit fördern und schlechtes sie schädigen. Meine Erfahrung und mein Glaube lehrt anders. Die Sittlichkeit, die materielle Stützen braucht, ist schon halb verloren. Sittlich starke Familien vermögen auch in großstädtischen Kasernen sittenrein zu wohnen. Sittlich schwache und liederliche Leute machen jedes Hans zur Lasterhöhle. Die Guten suchen einander, und die Schlechten suchen einander, um miteinander zu wohnen. Gibt es mehr gnte und tüchtige Elemente ini Volke, so werden die Guten auch bei ihresgleichen Wohnung finden. Und so ist es auch. Gewöhnlich sind es die Liederlichen und Schlechten, die nirgends dauernd Unterkommen finden. Nach meiner Meinung ist es nur ein materialistischer, echt moderner Aberglaube und Irrtum, wenn man meint, mit materiellen Werten sittliche Werte kaufen zu können. Die Sittlichkeit läßt sich nicht erkaufen. Die Sittlichkeit der zukünftigen Generationen unsers Volkes liegt, gut oder schlecht verwahrt, in den Gewissen aller Eltern, besonders der untern Stände. Die Allgemeinheit, Staat oder Gemeinde, kann wenig zu dieser Arbeit der Kinderstube tun. Materielles hilft gar nicht. Sie kann nur mit Achtung und Anerkennung die Eltern verehren, die ihre Pflicht tun, und mit Verachtung die strafen, die sie versäumen. s.
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Schilderungen »nd Skizzen von Franz Kordon (Fortsetzung)
bd-ur-Rahmnn Khan offenbarte seinen Charakter sehr bald nach seiner Thronbesteigung, denn als ihm seine Mntter, eine Frau, die früher in äußerst bescheidnen Verhältnissen zu Kandahar gelebt hatte, Vorstellungen wegen seines despotischen und grausamen Vorgehns machte, fuhr er sie mit rohen Worten an und wies sie aus seinem Gemache fort. Kurze Zeit nach diesem Auftritt starb die Frau. Ob die Vermutung richtig ist, die in Kabnl auch heute noch uuter