Maßgebliches und Unmaßgebliches
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ist gerecht, das heißt, die Wirkung entspricht in ihr genau der Ursache. Wäre dies auch im geistigen Leben des Menschen der Fall, so gäbe es keine Lüge, die Menschheit wäre vollkommen. Aber für eine vollkommne Menschheit wäre dieses Erdenleben überflüssig, denn Vollkommenheit schließt jede Entwicklung aus, uud alles, was Lebeu heißt, ist Entwicklung." „Seine Schönheit übertrug der Vater auf den göttlichen Sohn. ... Er war der Sohn der Natnr, die in ihm das erstemal den reinen Ausdruck des Gottmenschentums scmd, woriu sie sich selbst erhöhte; denn in ihr ist alles Kampf nnd Selbsterhaltungstrieb, und in ihm ist alles Liebe und Selbstentäußerung. . . . Aus seiner Schönheit schöpfen die höchsten Künstler der nachfolgenden Zeiten den Geist der Schönheit; wenn sie auch von den edeln Griechen die Form lernten, und wenn auch das völkerverjüngende germanische Herz in ihnen schlug. Aber in Christus war das Beste aller Völker in einem dargestellt: es mußte das Beste des Menschentums iu ihm dargestellt sein, denn er war der Gottmensch." „Die Hauptsache sin allen biologischen Theorieuj ist, daß der Mensch ein Glied der natürlichen Entwicklungsreihe ist, die höchste Stufe, die die Natur iu Ausbildung ihrer Organismen erreicht hnt, und in welchem sie die Uuzerstörbarkeit der Art zu einer Unzerstörbarkeit des Individuums steigerte. Denn die Idee einer Entwicklung der Organismen kann im Gegensah zur Schöpfungslehre doch nichts andres sagen, als daß die Natur die Idee einer niedern Art bewahrt und unzerstörbar macht, indem sie sie zu einer höhern Art emporbildet. So sind im höchsten Organismus, im menschlichen, alle Ideen der niedern Arten bewahrt, wie dies biologisch die Wissenschaft am menschlichen Fötus noch heute nachweisen will. Wenn sich uun der Mensch auf diesem Planeten von der Monade an im Laufe von Millionen Jahren emporgebildet hat, so will dies nichts andres sagen, als daß er die letzte bekannte Wirkung einer ersten unbekannten Ursache ist. . . . Wer der Entwicklnng des Tieres zum Menschen auf sogenanntem wissenschaftlichen Wege nachgehn will, begibt sich in die Irre. Denn wir kennen keine Ursache, die das Tier zum Menschen erhoben hat, wenn es nicht dieselbe Ursache ist, die dem Urnebel den ersten Anstoß zur Bewegung gegeben hat, oder die aus dem anorganischen Stoffe die erste organische Zelle hervorgehn ließ." „Man weiß, daß die Differenzierung der Menschen desto schärfer wird, je höher die Kulturstufe ist, die erreicht wurde. Ein bedeutender Naturforscher, Le Bon, sagt, daß die Zivilisation, weit entfernt, die zwischen den Menschen bestehenden Unterschiede zurückzudrängen, sie vielmehr vergrößere. Gegen den Traum einer künftigen gesellschaftlichen Gleichheit kann vielmehr behauptet werden, daß wir uns in der Richtung einer sich immer schärfer ausprägenden Ungleichheit bewegen." „Bildung ist Gestalt des inneru Menschen. Wenn uns der Charakter sagt, was einer ist, so sagt uns die Bildung, wie er ist." „So hat der einfache und ungelehrte Mensch, der Liebe zu seinen Mitgeschöpfen trägt, in der Bildung seines Wesens mehr Geist als der Gelehrteste, dem sie fehlt. Und solch eine Liebe hat keinen andern Lohn weder in dieser noch in einer der andern unzähligen Welten, als ihre eigne Lichtnatur. Daß aber eine solche sich aus dem duukelu tiermcnschlichen Grunde herausentwickelt hat, gibt uns die Überzeugung, daß vor aller Tiernatur eine Lichtnatur wesenhaft wirklich ist, und gibt uus die Hoffuung, daß die ganze Entwicklnng des Menschengeschlechts in der Richtung der Ursprünglichkeit geht, die jene Lichtnatur bezeichnet, die der Gottmensch ist."
Botterhexe. In der Geschichte, die in Frenssens Jörn Uhl Heim Heide- rieter erzählt, sagt der Bootsmann zu dem schelmischen Mädchen, das neugierig zu ihm kommt, um seinen langen Bart zu sehen: „Wer hat dich hergeschickt, du Botterhexe?" Was das bedeuten soll, rät jeder, es ist ein halb scheltender, halb schmeichelnder Ausdruck; Hexe allein würde dasselbe sagen, es gehört zu den Wörtern, die, eigentlich Schelt- und Schimpfwörter, in scherzhaftem Gebrauch oft den Sinn von Liebkosungen annehmen, wie etwa Schelm, Schalk, Kröte u. a.