Beitrag 
Konstantinopolitanische Reiseerlebnisse :
(Schluß)
Seite
750
Einzelbild herunterladen
 

750

Ronstantinopolitanische Reiseerlebnisse

trabte los. Dn er alle Nebengassen nnd Richtwege benutzte, so tauchte er immer wieder neben meinem Pferdebahnwagen ans und gelangte fast zugleich mit mir auf den Bahnhof. Das Billett nach Wien kostete 93 Franken nnd 35 Centimes (sehr billig!), und unter den üblichen Backschischspenden drang ich dann glücklich bis zum Zuge vor. Für eiue Nachzahlung von zwei Franken erhalt mau iu den ungarischen Wagen das Recht auf Nachtruhe, d. h. man kommt zu vier in ein Conpe, klappt dann die ledergcpolsterten Lehnen von nnten nach oben in die Höhe und schläft auf einer der vier auf diese Weise hergestellten Schlafbänke. Ich legte mich auf eine der beiden obern, hatte das aber bitter zu bereuen, denn die untern Bänke waren von zwei galizischen Juden belegt, die sich Bernstein uud Baruch ununten, nnd uun während der Nacht ihre ganze Zwiebel-, Käse- und Knoblauchnnsdünstung nach oben strömen ließen. Als ich aufwachte, wurde mir sofort übel, uud ich öffuete schleimigst die Ventilation.

Die Sonne ging nns über Adrianopel auf, dann folgte die türkische und gleich darauf die bulgarische Gepäckrevision. Auch wurden nns von den weißgekleideten bulgarischen Bemntcu die Pässe abgenommen und unsre sämtlichen Nnmcn gewissen­haft in ein Buch eingetragen. Während der Fahrt spuckten die beiden Galizier beständig in ekelhaftester Weise auf den Fußboden, obwohl auf jeder Seite eiu großer Spucknapf bereit stand. Endlich in Philippopel befreiten sie mich von ihrer Gegenwart, um dort zuihre Leit" zu gehn. Philippopel selbst liegt malerisch auf vier aus dem weiten Tal der Maritzn schroff aufsteigenden Vergknppen. Zahl­reiche Rvßherden weideten in der Ebne. Links von der Bahn sieht man das mächtige Nhvdopegebirge (bis zn 2700 Metern), dessen zackige Gipfel noch tief hinunter mit Schnee bedeckt waren. Im Altertum schwärmte hier die Bacchantin uud schaute stauuend auf das noch vom Winterschnee weiße Tal des Hebrus (der Maritzn) her­nieder (Hör. Od. III, 2'5), jetzt haust hier der edle makedonische Klcphthe, der mit Vorliebe amerikanische Missiouarinnen entführt. Zum Glück hatte ich jetzt einen angenehmen Reisegefährten in einem jungen Franzosen bekommen, der in Geschäfts­angelegenheiten nach Paris reiste, aber in Kasanlyk wohnte, wo er in echtem Rosenöl uud handgesticklen Decken arbeitete. Über Sofia ging es dann an die serbische Grenze, wo die Gcpäckrevision im Wagen selbst vorgenommen wnrde. Dann wurden wieder die Lehnen hochgeklappt, und die zweite Nacht im Eisenbahnwagen begann. Diesesmal kleidete ich mich, dem Beispiel des Franzosen folgend, vollständig aus nnd schlief in meine wollne Decke gehüllt ganz prachtvoll.

Als die Sonne aufging, hielten wir bei der Stadt desPrinzen Engenius, des edelu Ritters." Doch bliebStadt und Festung Belgerad" rechts jenseits der Save liegen. Wir passierten frei den Dvnaufluß und schlugen dann bei Semliu unser Lager, indem wir unser sämtliches Gepäck ans die kaiserlich-königliche Zoll­station schleppen mußten, was dem Franzosen Anlaß gab, über«ss animanx-la," weidlich zn räsonieren. Endlich warentouiss es« ebosss dog-out-mios" erledigt. Der neue Zug, i» den wir einstiegen, war mit deutschredenden Schaffnern besetzt, hatte auch Warnungsinschriften in vorzüglichem Deutsch, wie folgende Wendung beweist, die ich mir notiert habe: ... da nach Versehen der erforderlichen Pünkt­lichkeit des Zugabgehens Gefahr erwachsen kann." Dieser Zug trug uns nun hinein in die endlosen Pußten Südungarns, über die der Blick ungehemmt bis zum fernen Horizont schweifte. Äcker uud Weinfelder wechselten miteinander, aber kein Baum war zu erblicken. Nur die vereinzelt liegenden Gehöfte waren durch hohe Laub­bäume Pappel», wie es schien gegen die Souue geschützt, die im übrigen breunend ans der Ebne lag. Es war der heißeste Tag der ganzen Reise. Griechen­land, Kreta, Konstantinopel hatten gegen diese Pnßtenhitze eine milde, Troja sogar eine eisige Temperatur.

Budapest, der Stolz der Magyaren, machte mir gegen das wirre Völkerge- wimmel von Konstantinopel anfangs den Eindruck eiuer verschlafnen Kleinstadt. So ruhig und langweilig war das Leben auf den Straßen. Auch sind nur die Haupt-