744
Konstantinopolitanische Reiseerlebnisse
wird sie neben und zum Teil unter solche rangieren, deren Namen wir höflicherweise nicht nennen wollen. Am besten wäre es jedenfalls, der Herausgeber entschlösse sich, die Lebenden ganz wegzulassen. Denn wer will hier die Grenzen ziehn? Zu den Universitätsprofessvren, die Anspruch machen können, gesellen sich die Sanmllungsdirektoren und ihre Beamten, die ja auch schrift- stellern, und zuletzt finden sich noch die Kunstgewerbemänner ein und die Zeitungsschriftsteller. Ein befreundeter Sortimentsbuchhändler, den wir fragten, ob denn das hübsche Buch wohl die verdiente Beachtung finde, gab zur Auskunft, er mache alle darauf aufmerksam, die sich dafür interessieren müßten, aber „jeder schlügt zuerst nach, ob er drin ist, und wenn er sich nicht findet, kauft ers nicht." So hat die Sache wenigstens noch eine komische Seite.
Um das glücklich cmgefangue Werk auf den Stand der Vollkommenheit zu bringen, den es verdient, bedarf es keiner durchgreifenden Veränderung, keiner großen Mühe, nur nachbessernder Sorgfalt im einzelnen. Die von uns berührten Partien machen nicht einmal den größern Teil des Ganzen aus. Dieser besteht vielmehr in den systematisch gehaltnen Artikeln über Architektur, Kunstgewerbe, künstlerische Reproduktionsarten, Einzelheiten der Technik und technische Ausdrücke. In allen diesen Sachen wird das Buch bald zu einem unentbehrlichen Ratgeber werden, denn hierfür gab es bis jetzt kein Nachschlagewerk, das alles in so bequemer Kürze in sich vereinigt hätte, während ja für das eigentlich Kunstgeschichtliche besondre Hilfsmittel zu Gebote standen. Im Bereich jener Artikel ist uns keine Lücke aufgefallen, wohl aber sehr viel eigentümliche Belehrung und im allgemeinen eine klare und höchst Präzise Fassung.
Konstcmtinopolitanische Reiseerlebnisse
von Friedrich Seiler
^. Streifzüge in der weitern Umgegend (Schluß)
zunächst kamen wir durch den mißfarbnen und höchst übelriechenden Qualin von Abdeckereien uud Leimsiedereien, dann endete das graue Goldne Horn, und unter einer Holzbrücke fuhren wir nun in den Fluß hinein. Auf den Wiesen zu beiden Seiten waren unter den Bäumen Matten ausgespannt, unter denen noch Stühle standen, > Pferdegruppen weideten frei umher. Ein Lustschloß des Sultans war im Hintergründe zn sehen, dann eine Moschee und ein stilvoll aus roten und weißen Steiustreifen erbautes Gebäude, das Hauschild als „Schießversuchshcms" bezeichnete, wo die Gewehre probiert würden. Das schöne grüne Tal war, statt vvn fröhlichen Menschen zn wimmeln, völlig ausgestorben, öde und leer. Nur eine einzige Gesellschaft von Männern war noch vorhanden. Sie hatten ein kleines Feuer entzündet, an dem sie ihren Kaffee kochten, machten Musik und sahen einem Tänzer zu, der in der kalten Negenluft seine Arme und Beine durch krampfhaftes Umherschineißen zu erwärmen suchte. Von den schönen Türkinnen war auch nicht nne mehr an dem süßen Wasser zu finden. Denn die Mohammedanerin muß vor
M