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Vom Strafmaß
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vom Strafmaß

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Und würdig solcher Geburtswehen ist denn auch die Wirksamkeit der so zustande gekommnen Strafe. Wäre sie von einem einheitlichen Willen nach bestimmtem Grundsatz im Hinblick auf ein einheitliches Ziel verhängt, so wäre wenigstens einige Hoffnung vorhanden, daß dieses Ziel anch erreicht würde. Als Mischerzeugnis teils unklarer, teils einander widerstreitenderGründe" kann sie nichts Heilsames, nichts Rechtes erreichen, und es ist der reine Zu­fall, wenn sie in Ausnahmefnllen etwas Gutes wirkt. Der Anhänger einer der Zwecktheorien, der von der Strafe Besserung des Bestraften oder wenigstens Abschreckung der zu Straftateu Neigenden erwartet, muß bei den Zahlen der Kriminalstatistik, die eine immer stärker werdende Rückfälligkeit und durch­aus keine Abnahme der Vergehn und der Verbrechen zeigen, an dem Erfolge, wenigstens an jedem wohltätigen Erfolge der Strafrechtsprechung verzweifeln; nnd auch der Freund der absoluten Gerechtigkeit, dem die Strafe um ihrer selbst willen da ist, weil sie dem Verbrechen folgen muß wie die Flut der Ebbe oder dem Tage die Nacht, wird in dem regellosen Znfallsprodukt eben um seiner Entstehung und seiner Ungleichmüßigkeit willen nicht die dem Verbrechen entsprechende Sühne sehen können, die seiner abstrakten Gerechtig­keitsforderung entspricht. Ja sogar die äußere Anerkennung, als obder Gerechtigkeit Genüge geschehn" wäre, ist nnsern Strafurteilen meist versagt. Der Augeklagte, auch wenn er sonst einsichtig und reuig ist, hat fast uiemals den Eindruck, gerecht bestraft worden zu sein; der Staatsanwalt findet, wenn er nicht etwaüberhauen" worden ist, daßder Kerl diesesmal recht billig davon gekommen ist," und von den Richtern sind zuletzt auch uur die ganz einverstanden, deren Strasmaßvotnm die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt hat. Am meisten aber zetern die, die der Einzelfall am wenigsten angeht, die Unbeteiligten, durch ihr tausendzüngiges Mundstück, die Tages- pressc. Selbstverständlich hat die Presse nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, Übclstünde aufzudecken und zu bekämpfen, wo sie sie findet, und sie braucht dabei auch nicht vor den heiligen Hallen der Justiz Halt zu machen. Wenn sie sich aber, wie wir das in der letzten Zeit massenhaft erlebt haben, herausnimmt, in bestimmten Einzelfällen das Strafmaß zu kritisieren, wenn sie einem Dippold etliche Jahre Zuchthaus mehr und irgend einem Deserteur etliche Monate wenigeraufgebrummt" sehen möchte, wenn sie den beleidigenden Justizminister und die verkrachten Bankdirektoren für zu milde, die Crimmitschauer Ruhestörer für zu hart bestraft hält, wenn sie diese» Aufrührer gegen mili­tärische Zucht viel milder und jenen Soldatenschinder viel schwerer büßen lassen will, so mischt sie sich iu Diuge, für die ihr das Augenmaß vollständig abgeht, nnd sie gleicht um so mehr einem blinden Blindenleiter, als sie selbst nicht in geringerm, sondern in noch höherm Grade als die strafzumessenden Personen des festen Punktes ermangelt, von dem aus der Vcrbrechenserschci- nungen irrlichternde Flucht betrachtet werden muß.

Dieser feste Punkt ergibt sich nnr für den, der sich ernsthaft die Frage gestellt und beantwortet hat: Warum und wozu strafen wir? Huia xgeeatam <zst, weil gefehlt worden ist, oder xeoestur, damit nicht gefehlt werde? Es kann nicht der Zweck dieser Zeilen sein, in eine kritische Erörterung des