Wanderungen in der Niederlausitz
703
ein lebendiges Interesse. Es ist nicht lange her, da sah man als deutscher Neichsbürger mit souveräner Verachtung auf die letzte Ausgeburt des Mittelalters, aber seit der Reichstagswahl von 1903 umkleidet sich diese ständische Zeit bei dem deutlichen Fiasko des heutigeu bureaukratischeu Staats uud der sogenannten Volksvertretung in unsern Augen mehr und mehr mit einem gewissen Nimbus der Glückseligkeit. Nicht nur Friedrich Wilhelm der Vierte war ein eifriger Verfechter altständischen Wesens, auch der klarsehende Reichsfreiherr vom Stein wollte für Preußen keine Volksvertretung, sondern Provinzialstäude — und die neuesten Vorschläge zur Reform zum Beispiel des sächsischen Landtagswahlrechts, die die Bezirks- Verbnnde, die Handels- und die Gewerbekammern, die landwirtschaftlichen Kreis- Vereine usw. berücksichtigt wissen wollen, bewegen sich durchaus in Bahnen, die, der sozialen und wirtschaftlichen Gliederung der Besitzenden Rechnung tragend, den alten ständischeu Ideen sehr nahe kommen. Wer die Zeichen der Zeit versteht, hört das Rauschen eines neuen Vogels Phönix, einer neuen Periode der Romantik in den Lüften — aber natürlich auch diese Romantik wird nichts Bleibendes sein, sondern nur eine Übergangsform des politischeu und des ästhetischen Empfindens, bis die moderne Demokratie die ihr so notwendige Mauserung durchgemacht hat.
Gegen die Mitte des sechzehnte» Jahrhunderts war das alte Schloß, worin die Landvögte Tuukel von Bernitzko und Albrecht Schlik, Graf zu Passaun, residiert hatten, so heruntergekommen, daß der neue Landvogt lieber in Spremberg Hans hielt, das an der Südgrenze der Niederlausitz zwischen den die Spree begleitenden Hügelketten gar anmutig liegt. Doch ließ er 1561/62 das Lübbener Schloß umbauen und den nciiveu Spruch über das Tor scheu:
Mich hat gebauet wohlgemut
Dieser edle Lcmdvoit gut
Bousla Felix Herr von Hassenstein:
Gott erhalt ihn bei gutein Gewissen rein:
Nach Christi Geburt 1SS2 Jahr
Da er seines Alters im 46tcn war.
Von dem ältern Schloßbau blieb nur der Bergfried, der große viereckige Turm, übrig. Das neue Schloß hat iin Laufe der Zeit vielerlei Denkwürdiges erlebt. Der erste erlauchte Gast, den es in seinen Mauern sah, war der junge römische König uud spatere Kaiser Maximilian, Ferdinands Sohn, ein so warmer Freund der evangelischen Lehre, daß die Katholiken seinen Übertritt befürchteten. Am 3. Januar 1564 zog er, geleitet von den Stäudeu. zur Huldigung in Lübben ein. Die Stadt war damals wohl im Stande und gut bewehrt: denn zur Begrüßung feuerte man vom Turme des Schlosses die „Doppelhaken" ab, und einige Hundert Hakenschützeu schössen mit ihren Rohren, zum Schlüsse ließ man auch das grobe Geschütz auf den Mauern und den Wällen spielen. Ein ganz andres Bild gewährte die Stadt im Herbste 1620, als die Kommissare Johann GevrgS von Sachsen herbeikamen, die Huldigung des ihm verpfändeten Landes zu fordern. Infolge von Bränden lag Lübben in Ruinen, das königliche Oberamt mit der Kanzlei war nach Guben übergesiedelt. Kaum waren Stadt und Schloß notdürftig wiederhergestellt, so kam die Schwedennot der Jahre 1636 bis 1645: die Häuser giugeu abermals in Flammen auf, die Eiuwohner flüchteten, Papiere uud Pergamente des landvogteilichen Archivs dienten den Rossen Bauers zur Streu, der Rest wurde samt dem Regierungsapparat im Spreewald geborgen, die Stände hielten ihren Ausschußtag im Dorfe Schlepzig, und der neue Generalsuperiuteudeut Huttenus hielt seiue Autrittspredigt auf der sogenannten Wnssegk im Spreewalde. Der Spreewald war wieder die Landesfestung wie in der Wendenzeit. Wehe der schwedischen oder der kaiserlichen Streifschar, die, um Beute zu machen, in dieses Gewirr von Wasserläufen und Verhauen eindrang. Die Söldner wurden einzeln ans sicherm Versteck in hohen Baumwipfeln niedergeschossen oder von wohlbewaffneteu Bürgern und Bauern umstellt und in die Sümpfe getrieben. Als das Ende des