Der Mönch von weinfelden
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Weil er auf den Knien liegen blieb und in dieser Stellung mit aufgestützten Händen eine Weile schweigend verharrte, glaubte Gyllis, Niklas habe sich rechtzeitig niedergeduckt und sei unversehrt geblieben. Er wandte sich also der Seite zu, woher der Schuß gekommen war, und hob die Armbrust an die Backe, bereit, den Gegner, sowie er sichtbar würde, zu Boden zu strecken. Er merkte jedoch aus dem Brechen und Knacken der Zweige, daß sich der Angreifer in schneller Flucht entfernte. Jetzt blieb ihm keine Wahl: er mußte die Verfolgung des Frevlers aufnehmen, wenn dieser nicht ungestraft und unerkannt entkommen sollte. Da fiel sein Blick auf Niklas, der langsam vornüber sank, und dessen Finger sich krampfhaft in das Moos des Waldbodens gruben. Er suchte ihm aufzuhelfen, aber der Körper glitt ihm wie eine leblose Masse aus den Handen und blieb zu seinen Füßen liegen. Nun erst bemerkte er die Wunde und das rieselnde Blut. Er kniete neben dem Sterbenden nieder und bettete ihn, so gut es gehn wollte, indem er ihn mit dem Oberkörper an den Hirsch lehnte. Dann zog er behutsam den Bolzen heraus, riß ein Stück seines eignen Hemdes ab und preßte es auf die Wunde, um die Blutung zu stillen. Dabei erwachte der Alte aus seiner Ohnmacht, griff mit beiden Händen nach dem Halse und versuchte zu sprechen. Da es ihm schwer wurde, sich verständlich zu machen, beugte der Burgherr sich über ihn und näherte das Ohr seinem Munde.
Was der Alte mit unendlicher Anstrengung hervorbrachte, waren nur abgerissene Worte.
Herr, sagte er, seht Ihr? kein guter Tag! Sterben! — Daheim — Kammer — Bettstroh — Säcklein mit Geld — erspart. Dafür — Messe lesen lassen — Dauner Kaplan.
Er rang nach Luft und begann zu röcheln. Das Blut, das sich einen Weg nach innen gesucht hatte, drohte ihn zu ersticken. Herr Gyllis faßte seine Hand und gab ihm durch Zeichen zu verstehn, daß er den Wunsch verstanden habe und erfüllen werde. Er fühlte noch, wie der treue Diener ihm durch einen schwachen Händedruck zu danken versuchte, dann aber mußte er zusehen, wie ein Zittern den Körper durchlief, und wie sich die Augeu, als starrten sie in eine ferne, nie geschaute Welt, weiter und immer weiter öffneten.
Als der letzte Hauch des Lebens entschwunden war, drückte der Burgherr dem Alten die Augen zu, erhob sich und sprach entblößten Hauptes ein kurzes Gebet. Dann bedeckte er den Leichnam mit grünen Brüchen, nahm seine Armbrust und die Waffe des Toten auf und ging ins Dorf zurück. Dort sprach er zuerst bei Theis Kuep vor. Er traf den Bauer im Garten, damit beschäftigt, Kürbis- kvrner zu stecken, und fragte ihn, wo der Fremde wäre. Der Bauer schien sich über den unerwarteten Besuch durchaus nicht zu verwundern und gab, als sei zwischen Burgherrn und Hofesleuten nie etwas vorgefallen, in ruhigem Tone die Antwort, das wisse er nicht, Störzner sei gestern über Land gegangen und noch nicht wieder heimgekehrt.
Theis, sagte Gyllis, in- Walde bei den Dachsfichten liegt Niklas. Sie haben ihn meuchlings erschossen. Geht und holt vier Leute.
Der Bauer gehorchte, ohne mit einer Miene seiu Erstaunen zu verraten. Nach einer Weile kam er mit dreien, Johann Peuchen, Wirich Kessel und dessen Knechte, zurück. Sie grüßte» den Burgherrn kaum und stellten sich abseits.
Wo ist der Vierte? fragte Gyllis.
Mit Verlaub, Herr, antwortete Theis, Merteu Ströther sagt, er hätte andres zu tun; stünde auch nichts davon im Weistum, daß die Hofesleute gehalten sein sollten, außer der Zeit in den herrschaftlichen Wald zu gehn.
Das Antlitz des Burgherr» verfinsterte sich.
Theis, sagte er, geht ein andermal zum Ströther und sagt ihm, er solle kommen, es sei denn, er wolle, daß ich ihn selbst hole. Dann aber könnte es leichtlich geschehen, daß Goerres ans den Abend zwei Gruben schaufeln müßte.
Die Drohung wirkte. Theis brachte den Widerspenstigen mit. Schweigend