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Der Mönch von Weinfelden : (Fortsetzung). 3
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Der Mönch von lveinfelden

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mit der Nachricht nach Hause, er habe bei der Treulichtwiese, hart am Waldrande, wo ein guter Wechsel sei, ein Wildgarn gefunden, das nur ein Weinfelder gestellt, haben könne. Der Burgherr gebot dem Alten, sich in der Nähe versteckt zu halten, damit er den Heckenjäger, wenn er das Garn nachzusehen komme, auf frischer Tat ertappe und zur Rede stelle. Der Wilddieb mußte jedoch in der Nähe gewesen sein und den Alten beobachtet haben, denn als dieser zurückkehrte, war das Garn verschwunden.

Kurze Zeit darauf sah er vom Wald aus, wie sich unten an der Lieser ein paar Leute, darunter ein Weibsbild, mit einem Fischnetze zu schaffen machten. Wer sie waren, vermochte er wegen der vorgeschrittnen Abenddämmerung nicht zu er­kennen, meinte aber nachher, das Weibsbild, das so gewandt wie ein junger Bursch von einem Ufer zum andern gesprungen wäre, könnte keine andre als die rote Nell gewesen sein.

Als solche Entdeckungen immer häufiger wurden, ohne daß es dem Alten ge­lang, der Frevler habhaft zu werden, beschloß Herr Gyllis, selbst einmal nach dem Rechten zu sehen. Er bestimmte seinem Vogt den nächsten Morgen zu einer ge­meinsamen Streife.

Es war etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang, als die beiden so geräuschlos wie möglich aus dem Burghaus traten. Gyllis trug eine Armbrust, der Alte seinen Sauspieß. Als Niklas die Tür verriegelte, stieß sein Fuß an einen kleinen Gegen­stand, der vor der Schwelle lag. Er bückte sich danach und erkannte beim schwin­denden Sternenlicht ein Schwalbennest, das sich mit dem abbröckelnden Mauerbewurf von der Giebelwand des Hauses gelöst haben mochte.

Herr, sagte er mit verschleierter Stimme, das ist ein schlimmes Zeichen! Der Tag wird nicht gut, laßt uns ein andermal gehn!

Aber Gyllis war nicht gesonnen, sich von seinem Vorsatz abbringen zu lassen, und suchte dem Alten seine Bedenken auszureden. So verließen sie denn den Hof, verschlossen das Pförtchen zum Bongert und gingen am Ufer des Weihers entlang, dem Mäuseberg zu.

Der Morgen war klar und kalt; auf dem kurzen Grase lag der Reif. Niklas schritt fröstelnd und zähneklappernd hinter seinem Herrn her.

Bist du krank? fragte dieser, als er auf den Alten aufmerksam wurde. Dann geh heim und leg dich wieder zu Bett.

<"'',-, ,5'.'... ich '^.-E^ch nicht allein gehn. Heute nicht. Ihr werdet sehen: es wird kein guter Tag.

Als sie auf der halben Höhe des Berges angelangt waren und sich dem Walde zuwandten, der sich von hier aus zur Lieser hinabsenkte, wurde es im Osten hell. Ein kaltes gelbes Licht stieg langsam am Horizont empor und verwandelte das dunkle Blau des Nachthimmels in ein bleiches Grün, worin die Sterne nach und nach erloschen.

Der Alte blieb stehn und wies mit dem Schafte seines Spießes auf einen Steinkauz, der lautlosen Fluges am Waldrande vorüberstrich und einen Augenblick lang unbeweglich über den Köpfen der beiden Wandrer schwebte.

Seht Ihr den Totenvogel, Herr? Ist auch ein böses Zeichen. Wäre besser, wir kehrten wieder heim.

Herr Gyllis faßte seinen Begleiter beim Arm und schüttelte ihn. Niklas, sagte er halb ärgerlich und halb belustigt, bist du über Nacht ein alt Weib ge­worden, das sich vor einer Eule fürchtet?

Herr, erwiderte der Alte, ich weiß, was ich weiß. Gebt acht: es wird kein guter Tag. Erst das Schwalbennest, und jetzt der Totenvogel. Die Heiligen wollen uns warnen. Aber Ihr mögt ja von den lieben Heiligen nichts mehr wissen, und darum werden sie gewißlich ihre Hand von Euch abziehn.

Wie du nur redest, Niklas! Als ob ich die Heiligen verachtete! Man soll ihrer mit geziemender Ehrfurcht gedenken und ihrem Wandel nachfolgen, aber man soll nicht zu ihnen beten, denn sie sind auch nur schwache Menschen gewesen wie