Beitrag 
Der Mönch von Weinfelden : (Fortsetzung). 3
Seite
352
Einzelbild herunterladen
 

352

Der Mönch von ZVeinfelden

Dafür beherbergte dcis Dorf jetzt einen andern Gast, der sich Hans Störzner von Trippstadt nannte und unter dem Vorwande, in der Nachbarschaft Pferde kaufen zu wollen, seit etlichen Wochen in einer Kammer bei Theis Knep wohnte. Der Roßhcmdel schien sich immer wieder zu zerschlagen, denn der Fremde kehrte, wenn er sich einmal aus dem Dorfe entfernt hatte, was selten genug geschah, jedes­mal unverrichteter Sache zurück. Es war ein hochgewachsener Mann mit finsterm Antlitz und straffem schwarzem Haar. Er mochte etwa vierzig Jahre alt sein und würde, wenn seine groben Züge nicht den Bauern verraten hatten, eher einem Junker als einem Roßkamm geglichen haben. Denn er trug eine Schanbe von feinem Tuch, rings am Saume nnt Iltispelz besetzt, dazu eine seltsam zerschlitzte Hose, wie man sie in Weinfelden zuvor noch nie gesehen hatte.

Herr Gyllis betrachtete den Mann mit Argwohn nnd wurde darin durch den alten Niklas bestärkt, der ihm erzählte, der Fremde pflege allabendlich etliche der Hofesleute in Theisens Hause zu versammeln und mit Wein zu bewirten, woraus zu schließen sei, daß er entweder ein gutes Geschäft gemacht habe oder zu machen gedenke. Der Burgherr, dem das Treiben immer verdächtiger wurde, beschloß, sich Klarheit zu verschaffen, und sandte eines Abends den Vogt mit einem Auftrage zu Theis. Niklas wurde von dem polnlierenden Kollegium kühl empfangen und erst auf seine Frage, ob die Bauern so vornehme Herreu geworden seien, daß sie mit einem herrschaftlichen Knechte nichts mehr zu schaffen haben möchten, zum Bleiben und Trinken eingeladen. Zugleich bemerkte der Fremde, wer Knecht sei, der sei es durch eigne Schuld, und es stehe in jedes Menschen freiem Willen, die Knechtschaft von sich zu werfen und selber ein Herr zu sein. Er wollte noch weiter reden, aber Theis und ein paar der andern gaben ihm durch Zeichen zu verstehn, daß dem Alten gegenüber Vorsicht am Platze sei. Da begann dann die Unterhaltung zu stocken. Der Fremde schwieg, und seine Kumpane besprachen gleichgiltige Dinge.

Ans dem wenigen, was der Vogt dem Burgherrn berichten konnte, erkannte dieser das wahre Wesen Hans Störzners und den Zweck seines Aufenthalts im Dorfe. Es war einer der Apostel der Bauernbefreiung, wie sie damals das Land durchzogen nnd die Saat der Empörung auszustreuen versuchten. Herr Gyllis über­legte, ob es geraten sei, deu unruhigen Gast aus Weiufelden auszuweisen, aber er kam zu der Überzeugung, daß es einer solchen Maßregel nicht bedürfe. Denn er war sich keiner ungebührlichen und uuchristlichen Bedrückung seiner Leute bewußt, hatte sich vielmehr vom ersten Tage seiner Herrschaft an der größten Milde be­fleißigt und glaubte auf die alterprobte Anhänglichkeit seiner Bauern, die sich bisher allen Neuerungen abgeneigt gezeigt hatten, vertrauen zu können. Ja, er versprach sich von der Anwesenheit des Fremden sogar einen heilsamen Einfluß, weil ihm bekannt geworden war, daß die Bewegung hauptsächlich der Ausbreitung des reinen Evangeliums galt und sich zunächst gegen die mächtigen geistlichen Herren, die ge­meinsamen Feinde des Landvolks nnd des Adels, richtete.

Aber er sollte bald genug eines Bessern belehrt werden. Hans Störzner mochte gemerkt haben, daß bei den Weinfeldern mit Lamentieren über die römische Schalkheit des Ablaßhandels, über die Wandlung bei der Messe als eine pfäffische Erfindung und über den Dienst der Heiligen nichts auszurichten sei, und daß sie vom Erzbischof als dem heimlichen Feinde ihres Herrn ohnehin nicht viel hielten, und er beschränkte sich deshalb darauf, feinen Zuhörern die Dinge ins rechte Licht zu rücken, die ihrem Verständnis am nächsten lagen: ihre Abhängigkeit von der Willkür eines Herrn, ihre Verpflichtung zu Abgaben und Fronen und das vor­gebliche Recht ihres Bedrückers, Wildbahu und Wasser für sich allein in Anspruch zu nehmen. Obgleich auch diese Lehren anfangs keinen besondern Eindruck machten, so erreichte er durch ihre unermüdliche Wiederholung endlich doch, daß die Wein­felder ihren elenden und gar erbärmlichen Zustand zu fühlen und seinen Rat­schlägen, sich ihres Jammers zu entledigen, Gehör zu schenken begannen.

Herr Gyllis erkannte den Umschwung ihrer Gesinnung an der lässigen Art,