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Eine Trojafahrt : (Schluß) : 4. Trojanische Ritte
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Line Trojafahrt

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Der letzte Abend wurde noch recht lustig, ja fast zu lustig. Denn der Deutsche ist nun einmal äußerlich nie vergnügter, als wenn er innerlich eine gewisse Wehmut fühlt. Der Wein der Polyxene wnrde nicht geschont, und dasmorgen können wirs nicht mehr, darum laßt uus heute leben," klang durch alle die zahlreichen Reden hindurch, die zum Nachthimmel und zum rußigen Deckbalken des Gemachs emporstiegen. Die Herzen gingen gegeneinander ans. Aber anch an Reibungen fehlte es nicht. Es gibt Menschen, denen in erregten Stimmungen eine leichte Händelsucht anfliegt, vielleicht eine Folge studentischer Sitten. So schraubte in einem Toaste auf Dörpfeld jemand einen andern, der sich vor dein Reiten etwas gescheut hatte, mit seiner Angst vor demtrojanischen Pferd." Darauf erhob sich der Geneckte und sagte, er wolle einmal das trojanische Pferd mit dem Vorredner vergleichen. Beide ragten hoch über die gewöhnlichen Sterblichen empor, das tro­janische Pferd habe aber in seinem Leibe Helden gehabt, der Herr Vorredner dagegen nur Kohl. Das war etwas kräftig, aber schließlich wir standen auf dem Boden, wo sich sogar die Helden schimpften, und Paris hatte hier noch ganz andre Dinge einstecken müssen. Dörpfeld erhob sich von seinem kurulischen Schliemannsessel und lenkte die Gedanken durch einen Toast ans die abwesende Frau Sophie Schliemann ab, und das Lied:O alte Bnrschenherrlichkeit," in das auch die Amerikaner ein­stimmten, die ja alle in Deutschland studiert hatten, tönte weithin durch die ambrosische Nacht. Staunend mochten es die Geister der zeusentsprossenen Helden uud weiß- armigen Kvuigsfrauen vernehmen, vorausgesetzt, daß sie die Stätte ihrer ehemaligen Freuden und Leiden nächtlicherweile nach Geisterrecht umschwebten. Daso ^as mutg-tio rsrum!" war ihnen dann sicher aus der Seele gesungen.

Am andern Morgen beim Frühstück erteilte Dörpfeld mir als dem Ältesten einige Weisungen für die Führung der konstantinopolitanischen Expedition, soweit überhaupt eine Führung notwendig sei. Vor allen Dingen dürfe den Agojaten kein Trinkgeld verabreicht werden, sie seien schon überreichlich bezahlt. Wenn sie noch etwas verlangten, solle ich nur sagen inns xliromüno (es ist bezählt). In der Dar­danellenstadt sollte ich mich zum italienischen und französischen Konsul Monsieur de Caravel begeben, der habe bei dem Besuche des Kaisers einen deutschen Orden bekommen und sei dadurch den Deutschen zu Gefälligkeit und Auskunfterteilung ver­bunden. Im übrigen brauchte ich nur zu fragen: ?ots tsvji ro xroto vsxori clis. tin xolin (wann geht der nächste Dampfer nach der Stadt)? Darauf werde mir auf der Straße jeder Erwachsne Antwort erteilen können. Wir könnten übrigens mit Sicherheit darauf rechueu, daß noch heute Abend ein Dampfschiffnach der Stadt" gehn werde. Um sieben Uhr saßen wir zu etwa fünfzehn Mann auf den Gäulen und reichten dem liebenswürdigen Leiter mit herzlichem Dank und den Ge­nossen mit guten Wünschen für die Weiterreise die Hand zum Abschied. Die Damen winkten uus noch einen Gruß, uud fort giugs den Burghügel hinunter und über den Simois.

Auf den Freudenbecher folgte nun, wie so oft im Lebeu, der bittere Nachgeschmack, und eine Art Katzenjammerstimmung bemächtigte sich unser. Die Sonne brannte heiß hernieder, und mir tat eigentlich alles weh, das Bein vom Unterschenkel an, der ganz niederträchtig geschwollen war, dnrch das Knie hindurch bis zum Ober­schenkel, außerdem aber auch von dem vielen Reiten das Kreuz uud die Hüften. Sehr bald gesellte sich dazu als schlimmster Feind die unsagbare Schlafmüdigkeit, die den, der unter südlichem Himmel reitet, ergreift, sobald die Sonne längere Zeit seinen Nacken bescheint. Es war mir, als flimmere der Horizont, uud ich schwankte auf meinem Gaule in ganz bedenklicher Weise hin und her. Dazu die fürchterliche Langsamkeit. Die Pferde, die sich in den letzten Tagen hinreichend ausgetobt hatten, waren durch keine Macht der Erde zu einer schnellern Gangart zu briugen. Eins hinter dein andern, oft in weiten Abständen, so zottelten sie langsam fürbaß. Wie im Traum zog die grüne Eichcnlandschaft an mir vorüber, dann kamen die jetzt fast menschenleeren Straßen von Ercnkoi, uud dann der endlose Weg am Strande entlang. Der weiße Leuchtturm jenseits der großen Bucht wollte und wollte nicht näher