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Reinhold Kosers "Friedrich der Große"
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Reinhold KosersFriedrich der Große"

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Schwiegereltern," Der Kronprinz gehorchte, obwohl er richtig voraussah, daß damit eine unglückliche Prinzessin mehr in der Welt sein" werde, da er sie nie werde lieben können. In der Tat führte die im Juni 1733 vollzogne Ehe nur zu einem Nebeneinanderleben und blieb sogar in den relativ glücklichsten Tagen ohne tiefere Zuneigung Friedrichs.

Eine für des Prinzen ganze Entwicklung viel einschneidendere Änderung war dagegen die im Herbst 1736 erfolgte Übersiedlung nach Rheinsberg, Die vier Rheinsberger Jahre sind Friedrichs fruchtbarste Studienzeit gewesen. Regel­mäßig beschäftigte ersieh mit der Philosophie, der Geschichte und den Sprachen; die zur Erholung bestimmten Stunden wurden mit Musik und Theaterspiel ausgefüllt. Das Lieblingsstudium war das der Philosophie. Cartesius und Wolff, deren Schriften der Prinz nacheinander studierte, klärten ihn auf und förderten sein geistiges Leben. Am 8. August 1736 schrieb Friedrich zum erstenmal an Voltaire. Es begann damit ein regelmäßiger Gedankenaustausch der beiden. Nicht immer war hier Friedrich nur der Empfangende, er machte vielmehr Voltaire erst mit den Schriften Wolffs bekannt, aber im großen und ganzen wurde er doch durch die Diskussion in das Lager der philosophischen Richtung Lockes, die ja Voltaire vertritt, hinübergeführt. Er erkannte auch leicht das viel höhere Niveau, das die französische Bildung vor der deutschen damals voraus hatte.Frankreich und England sind die beiden einzigen Staaten, wo die Künste in Ansehen stehn. Bei ihnen also müssen die andern Nationen lernen," so schreibt Friedrich in seinem ersten Briefe an Voltaire. Und er lernte von den Franzosen nicht nur ihre eignen Geistesschütze, ihre klassische Literatur, sondern die französische Sprache wurde ihm auch das Medium, wodurch er die Geschichte und die Literatur der Alten kennen lernte. Nollin und Montesquieu mit seinen LonLickoratloiis Lur lss oaus«Z8 cls lei, Kranclsur clss KomNnö ot cls Isru- clöoaclsnvö wurden Friedrichs Lehrmeister in der alten Geschichte; Horaz, Lukrez und Cicero las er in französischer Übersetzung.

Und doch bewahrte sich schon der Kronprinz Friedrich bei aller Schwärmerei für die Franzosen die volle Selbständigkeit auf politischem Gebiete.Sein Urteil über die französischen Staatslenker und ihre Politik ist durch die Vor­liebe für die Nation zu keiner Zeit auch nur in der leisesten Weise beeinflußt," Die erste politische Schrift des Kronprinzen ist 1738 abgefaßt worden, sie führt den an Montesquiens Werk erinnernden Titel: (üonsiüöratioiis sur l'ötat M8snt 6a c-c»rr.s xoMc^s äs 1'Luroxs. Friedrich hat sie entworfen, um gegen Frankreichs Vergrößerungspläne die öffentliche Meinung in England und Holland aufzurufen. Eine im Laufe des Jahres 1738 erfolgende Annäherung zwischen Preußen und Frankreich, die zu dem Vertrage vom 5. April 1739 führte, hat den Kronprinzen zwar abgehalten, die Schrift anonym im Auslande erscheinen zu lassen, aber sein Urteil über die äußerlich so friedsame, in Wahr­heit macchiavellistische Politik des französischen Ministers Fleury nicht geändert. Seine eignen politischen Grundsätze zeigt der viel berufneAntimacchiavel." Mag man auch zugestehn, daß in manchen Punkten die spätere Praxis des Königs nicht immer den hier aufgestellten Theorien des Kronprinzen entsprochen habe, die Schrift enthält doch so viele Bemerkungen, die für Friedrichs Politik