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Deutschtum und Swatsversassuug in «Österreich
in den Landbezirken ans das Haupt zu schlagen, sie dadurch in den Städten zu einer Fusion mit den Resten der alttschechischen Partei zu zwingen, um sv sämtliche tschechischen Volksabgeordneten wieder unter das Kommando des böhmischen Feudaladels zu bringen. Das Endziel ist die Wiedergewinnung der führenden Stellung, die die böhmischen Feudalen bis zur Niederlage der Alttschechen im österreichischen Parlament gehabt hatten, eine Stellung, die sie befähigen würde, im Einvernehmen mit dem polnischen Hvchadel der Krone ihre verantwortlichen Ratgeber aufzuzwiugen. Weder der Kaiser noch ein Prinz des ErzHauses kann das wünschen, nnd so liegt gerade in diesen Bestrebungen der böhmischen Fendalen eine sehr wertvolle Garantie für die Deutschen hinsichtlich der Haltung der Kroue, sofern diese frei in ihren Entschließungen, das heißt nicht auf die Mitwirkung parlamentarischer Majoritäten augewiesen ist. Es ist grundfalsch, weuu man annimmt, daß der böhmische Feudaladel in dem Sinne reaktionär sei, daß er die Verhältnisse auf den Stand der Dinge vor 1848 zurttck- schraubeu wolle. Im Gegenteil, er ist eifrig bestrebt, wieder koustitutiouelle Verhältnisse herzustellen, weil sie ihm einen viel größern Einfluß auf den Staat verbürgen, als er vor 1848 gehabt hat, ja er geht noch weiter, indem er alle Bestrebungen unterstützt, die ans die Durchführung der reinen parlamentarischen Regicrungsform zielen, da er sehr wohl weiß, daß er datin die erste Geige spielen würde. Und dasselbe gilt von den Polen. Sie nennen sich Autouo- misten, aber das Zeutralparlamcut hat keine größern Freunde als sie, denn nicht im galizischeu Landtage, sondern im Wiener Reichsrate ruhn die Wurzel» ihrer Macht. Im Reichsrnte hat sich der Polenklub jeder österreichischen Regierung unentbehrlich gemacht, und nur im Reichsratc konnte nnd kann der Polenklub der Regierung die Daumschmuben anlegen, wenn sie zögert, die persönlichen nnd parteipolitischen Interessen, die im Polenklub repräsentiert werden, zu bc rücksichtigen. Zahllos sind die Zugeständnisse und Geschenke, die in den letzten dreißig Jahren dem Lande Gcilizien gemacht worden sind. Möglich war das nur unter konstitutionellen Verhältnissen, wo ein Vvtnm der „Nolksvcrtrctuug" solchen Raub am Reiche deckte; ein absolutistisches Regime, Regiernngen, die nicht durch die Verfassung auf die Unterstützung des Poleuklubs angewiesen waren, hätteu sich niemals zu so schmutzige» Händel» herbeigelassen. Der Neichs- rat ist das Instrument geworden, mit dem das Polentnm seine Politik der Erpressungen am Staate treibt; der Reichsrat gibt aber auch die Mittel her, von denen sieben Zehntel der polnischen Abgeordneten lebe». Dem polnischen Abgeordneten ist die Dezemberversassung unendlich teuer, er hängt am Reichsrate, weil er an Wien hängt, wo er seine Mätressen hat, wo es sich lustiger lebt als in den öden Nestern am Nordnbhcmgc der Karpathen und ans den verkommnen Herrensitzen zwischen der Weichsel und dem Dnjestr, wo ihm die Abgeordnetendiäten Vergnügungen aller Art erschließen, und das Abgeordneten- mcmdat ihm auch Gelegenheit zn allerlei Geschäften gibt, die nur in dem Aller heiligste« größerer uud kleinerer Bankhäuser der Nesideuz erledigt werdeu können. Die Sehnsucht der Polen nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Abgeordnetenhauses ist echt, so echt wie der Durst des Wanderers in der Wüste, denn ohne Parlament lassen sich die verschämten und unverschämten Wünsche