Beitrag 
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Seite
301
Einzelbild herunterladen
 

Maßgebliches und Unmaßgebliches

301

Hauptstadt Rom dem Siege von Sedcm verdankt. Für das Königreich Italien kann es sich nur darum handeln, das 1866 nnd 1870 Gewonnene zu erhalte», zn befestigen und auszubauen; die Hand nach der Italm iiic-äenw auszustrecken, wäre auch mit einem französischen Bündnis ein gefährliches Wagnis. Die französische Politik hat nach 1870 Italien gegenüber die verschiedensten Phasen durchgemacht, auch in Zukunft wird in Paris nicht immer der Antiklerikalismus am Ruder sein. Der wiederhergestellten guten Nachbarschaft froh, dürfte Italien dennoch eingedenk bleiben, daß eine solche Nachbarschaft zwar angenehm, das schirmende Dach des Dreibunds aber sichrer ist.

Freisinnige Blätter haben die Worte des Kaisers an den Oberbürgermeister von Karlsruhe bemängelt. Sie haben dabei nußer acht gelassen, daß die Erwiderung des Kaisers genau an die in der Presse allerdings wenig verbreitete Ansprache des Karlsruher Stadthaupts anknüpfte. Die vom Kaiser geäußerte Hoffnung, daß wir über den innern Parteihader hinwegkommen würden, entsprach dem Satz in der Rede des Oberbürgermeisters!Vor dem allen aber hat der leidenschaftliche Streit der Parteien im Innern des Reichs nicht verstummen wollen." Was konnte der Kaiser anders darauf erwidern als mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß es gelingen werde, über den innern Parteihader hinwegzukommen? Man könnte fast sagen, weniger war kaum möglich.

Der Oberbürgermeister hatte bedauert, daß vor dem großen Völkerkampf im Osten und der traurigen Kunde aus unsern Kolonien der leidenschaftliche Streit der Parteien nicht habe verstummen wollen. Was konnte der Kaiser anders ant­worten, als mit dem Ausdrucke der Zuversicht, daß unser Friede dadurch niemals gestört werde, daß aber, falls dennoch die Notwendigkeit eines Eingreifens in die Weltpolitik eintreten sollte, diese Notwendigkeit uns eiuheitlich finden möge. Bor dem WorteWeltpolitik" haben die freisinnigen Blätter eine Gänsehaut bekommen. Als ob ein Krieg zwischen Rußland nnd Japan, von dessen Ausgang die gukuuft Ostasiens nnd vielleicht eine ganz neue Gruppierung der Mächte abhängt, nicht Weltpolitik" wäre! Die Gefahr einer Beteiligung Chinas verbunden mit einein neuen Aufstande gegen die Fremden liegt nahe genug, nn drohenden Symptomen in der einen wie in der andern Richtung fehlt es nicht. Das würde die neutralen Mächte sofort zum Eingreifen nötigen. Der Kaiser ist anch hierin freilich weit­blickender als der Reichstag, der anch bei dieser Sachlage nicht umhin kann, un­geachtet der in Südwestafrika empfangnen Lehren an nnsrcr ostasiatischen Brigade hernmznstreichcn.

Auch iu andrer Hinsicht hat die Kurzsichtigkeit eines Teils unsrer Presse so­eben eine Lehre empfangen. Die für jeden Verständigen ohne weiteres völlig un­glaubhaften Gerüchte von einer englischen Friedensintervention in Petersburg waren von dem politisch durchaus bedeutungslosen Organ der dortigen jüdisch-polnischen Kolonie, denNowosti," unter lebhaften Beifallsbezeuguugen zu einerVerstän­digung zwischen England und Rußland in allen Fragen," selbstverständlich mit antideutscher Spitze, erweitert worden. Obwohl eine Anzahl Petersburger Blätter sofort mit allem Nachdruck gegen diese,:Unsinn" auftrat und ihn in die politische Kinderstube verwies, hat das verschiedne deutsche und namentlich Berliner Zeitungen «icht gehindert, im' Zusammenhange mit dem französischen Besuch in Rom das patriotische Thema von der Jsoliernng Deutschlands, dem Fiasko der deutschen Politik usw. nach allen Richtungen zu variieren. Nun ist die absurde Idee in Rußland auch amtlich zurückgewiesen worden. Worin diese Jsoliernng Deutschlands und das Fiasko der deutschen Politik eigentlich bestehn sollen, ist freilich schwer zn ergründen. Der Dreibund besteht und mnß doch wohl etwas wert sein, wenn die Franzosen und ihnen befreundete slawische Richtungen sich so viel Mühe geben, ihn zu zerstören. Zu Rußland stehu wir in sehr guten Beziehungen, nnd England hat soeben unserm Kaiser in Gibraltar und in Malta, bei der Kanalflotte und bei der Mittelmeerflotte auf Befehl des Königs Edward die höchsten Ehren und die glänzendste Aufnahme erwieseu, während zugleich Prinz Heinrich iu Portsmouth