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Die Fürsorge für die Arbeiterjugend
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Die Fürsorge für die Arbeiterjugend

Nirgends auch nur ein Gedanke daran, was aus so einein armen Kerl einmal wird. Oft von der Straße aufgelesen, weuu man ihn gerade braucht, wird er auf die Straße geworfen, wenn man ihn ausgenutzt hat. Das machen nicht nur die Zeitungsexpeditionen, Jnseratenannehmer, Adressenverleger, Winkel- kvnsulenten u. dgl. so, auch die Gerichtsvollzieher und die Rechtsanwälte leisten darin leider Gottes vielfach alles mögliche. Und überall, wo man auch nach­fragt, wird die Möglichkeit und vollends die Pflicht zu irgend welcher Für­sorge grundsätzlich bestritten, obgleich es sich hier fast immer nur um einige wenige jnnge Leute handelt, um deren Wohnung, Familie, Lebenshaltung und Lebenswandel sich der Chef durchweg in höchst eiguer Person kümmern könnte und kümmern müßte, wenn er etwassoziale Gesinnung," d. h. einfach das schlechthin zu verlangende Maß sittlichen Pflichtbewußtseins hätte. Vou dem so argen und ganz unnötigen Unfug im Laufburschen- nnd Laufmüdchendienst und von den Gast- und Schankwirtschaften will ich gar nicht reden. Dagegen ist noch ein Wort zu sagen über den Mangel an Wohlwollen für die Jugend im Becnnteu- dienst. Für eine gewisse äußere Disziplin wird jn hier fast überall gesorgt, und das ist schon etwas. Nicht scharf genug kann aber als sittliche Verfehlung gerügt werden die Interesselosigkeit der obern Beamten für das Fortkommen auch der befähigtem jungen Leute unter den Subaltern- und Unterbeamten. Von persönlichem Wohlwollen ist der moderne Assessorismus himmelweit ent­fernt, und meilenweit glaubt jedes Mitglied der obern Kaste von denen der nächst untern abrücken zu müssen, auch wenn sie ihm nn allgemeiner Bildung gleichstelln, und er sich für berechtigt hält, ihr Fachwissen ungeniert Tag für Tag als sein geistiges Eigentum nach oben an den Mann zu bringen. Das geht manchmal nicht anders, aber wenn man dabei jedes soziale Empfinden nnd jeden sittlichen Maßstab verloren zu haben scheint, ist es ungeheuer traurig. Die Tüchtigkeit unsers Beamtentums leidet darunter sichtbar.

Auf dem Lande ist man auch viel weiter auseinander gerückt, als die veränderten äußern Verhältnisse entschuldigen können, und gerade nn der Er­ziehung der jungen Arbeiter versündigen sich dadnrch die Besitzer am aller­meisten. Daß Bauern heute nicht mehr mit dem Gesinde an einem Tisch essen, oder statt auf der Bank auf einein Sofa sitzen wollen, macht es nicht. Das können sie ruhig thun und doch ihren Leuten mit sorglichem Wohlwollen nahe stehn. Bedauern kann mans vielleicht ans ästhetischen Gründen, denn Bauer und Bäuerin auf dem Sofa sind in der Regel immer noch Karikaturen. Aber cmch hier ist leider die Gesinnung vielfach in Grund und Boden verdorben. Jn den Großbetrieben, wo man sich äußerlich nie sehr nahe gestanden hat, ist leider die Manchestermoral in Bezug auf die Arbeiter fast ganz zur Herr­schaft gelangt. Und doch gerade hier zeigen Ausnahmen genug, wie ganz anders es heute noch sein kann, wo die alte soziale Pflichterfüllung, dieses Alte und doch immer Zeitgemäße in dem so viel verspotteten und doch nicht hoch genug zu schätzenden Patriarchalismus, noch regiert. Die Verwahrlosung der jungen Hofarbeiterschaft dnrch die Unternehmer einen andern Namen