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Pans Abschied
wahre, plastische Entwicklung nur hindert (Komponieren ist Unterordnen der Nebensachen); Raum und Rahmen muß jedes, auch das kleinste Bild bestimmen, nicht umgekehrt, und jede neue Beschränkung ergiebt Schöneres. Sodann soll der Maler allemal erst Hell und Dunkel, dnnu Warm und Kalt lind zuletzt die Lokalfarben erledigen; er darf immer nur relative Farben-, Licht- und Schattenstärken, also Gegensätze geben wollen, denn jedes Bild ist eine Harmonie in sich, und den Vergleich mit der Natur hält keins aus. Härtere Gegenstünde machen, daß benachbarte weicher erscheinen, und Lichter wirken auf benachbarte Halbtöne und Schatten so, daß der Maler sich hier viel Ausführuug ersparen kann. Vergoldung mit Muschelgold giebt etwas Märchenhaftes, denn das versetzt die andern Farben ins Dämmerige, da im Lichte uusre Farben nicht ausreichen. Verkürzung bei menschlichen Formen ist viel schwerer als bei Baumzweigen und Pslauzen, bei großen Blättern (Kürbis, Wein) schwerer als bei Blättchen. Skizziert einer, so ruft die Kritik: Was könnte der, wenn er wollte! Führt er aus, so bekennt er: Mehr kann ich nicht. Warum ist die römische Campagnalaudschaft so schön? Weil die Vaumgruppen einzeln stehn, das Grün mäßig, die Fülle der grauen Töne aber unendlich ist; in der Schweiz findet sich blutwenig, was einen zum Malen anregt. Bei der Vegetation soll man nicht auf botanische Genauigkeit sehen, sondern daß „etwas Schönes" herauskommt; trifft der Maler dergleichen in der Natur, so soll er sich fragen, warum es „so schön" auf ihu wirke, und er wird immer eine Autwort finden. Im Fresko soll man immer „Großheit der Form" anstreben, sich anch vorstellen, man habe bei der geringen Farbenskala alles mit Licht und Schatten zu erreichen, dann kommt Farbenwirkung von selbst. Allzugetreue Naturkopien sind hier bei allgemein gedachten Gestalten störend, zuviel auf den Beschauer gerichtete Augen machen ein Bild nnrnhig, und Putteu müssen immer drollig und ungeschickt sein, herangewachsen und klug sind sie langweilig. — Stellen wir dazu uoch einige für Böcklin charakteristische Urteile. Tiziau und Paolo haben die Heiterkeit der dekorativeil Erscheinung, aber keinen Humor, diesen hat Raffnel; er nnd Correggio dachten vielleicht allein immer rein künstlerisch und ohne Pedanterie, wogegen Michelangelo in seinem Streben nach den: Handwerklichen fast schon den Pedanten beizuzählen ist. Auch das ist echt Vöck- linisch! Ebenfalls was über die Technik berühmter Bilder (Tizians himmlische und irdische Liebe, Rubens Amazouenschlacht und Familienbildnis in München) vorgetragen wird, wozu es dann noch heißt, der sogenannte Goldton sei eine Folge des Vergilbens früher und gequälter Bilder, alle spätern und sicher gemalten hätten ihren ursprünglichen Ton besser gehalten, und von „schönem" Goldton zu reden sei nur eine Dummheit der Kunstgelehrten. Vielleicht werden diese das wiederum für eine — Malerklugheit erklären und trotz ihrer bei ihrer Meinung bleiben. Aber alles, was ein Mann wie Böcklin gedacht hat, ist doch der Erwägung wert. Vielleicht giebt der Verlag des Pan das ganze Tagebuch besouders heraus, etwa mit einigen Abbildungen zu den beigegebnen Skizzen; es wäre ein nützliches, hübsches Buch.
Daß Thoma in diesem Jahre, wo er seinen sechzigsten Geburtstag feierte,