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Italienische Reisebilder : 1. Venedig.
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auf dem Hute zu unterscheiden. Nun ist ihr Treiben ziemlich ungestört. Dichte plaudernde Gruppen umlagern die enge Ghetto-Straße, die an den großen Festtagen Israels in einen grünen Garten verwandelt wird; von einem Fenster zum andern reichen die Laubgehänge und rothe Teppiche schmücken den Balkon, aber noch mancher Shylok wandelt unter den kichernden Mädchen.

So reich indessen Venedig an Schönheit ist, eines mangelt der Stadt doch ganz, das ist die Natur. Wer hier genießen will, muß flüchten, in die Ziaräini xuxliei auf den Lido oder an die kleinen Inseln von Chioggia und Borcello, wo die Schifferhütten stehen, aus dem Gebälk zersplitterter Schiffe gezimmert. Die öffentlichen Gärten Venedigs sind eine Schöpfung Napoleon's, der Hunderte von Mauern, ja selbst geweihte Mauern niederriß, um Venedig diesen Tummelplatz zu schaffen, das seltenste Geschenk, das er bieten konnte: ein mächtiges Stück festes Land, eine Wanderung im Grünen. Man geht der Riva äsi LeUavovi entlang, die von der Msetw gegen den Lido führt, ein stattlicher Quai mit breiten Quadern, auf denen das Volk sich tummelt und vor dem in langer Reihe die Schiffe ankern. Die einen hissen die Flagge auf, das Sternenbanner der Union oder die stolzen Farben des deutschen Reiches, an anderen werden die Flanken neu betheert; die Matrosen aber, die müßig sind, liegen schlafend auf dem sonnigen Verdeck. Immer wieder kommen wir an Brücken vorüber mit flachen breiten Stufen, die die Kanäle überschneiden, zur Linken steht das Arsenal mit seinen ungeheueren Werften und Magazinen, von den beiden steinernen Löwen gehütet, die Morosini einst aus Athen entführte. Jahrhundertelang genoß dasselbe einen europäischen Ruhm und kein anderes der Erde schien mit ihm vergleichbar, die Aufsicht war dreiPatronen" anvertraut, die aus dem Kreise der Nobili gewählt wurden und jede Nacht mit der Prüfung der Wachen wechsel­ten. Der Ämmirag'lio äel arLMalö hatte den-iiso äueals zu beschützen, während die Wahl eines neuen Dogen stattfand, er befehligte den Bucentaur, wenn der Gewählte hinausfuhr ins Meer um den Ring in die Fluth zu werfen, ein Heer von Arbeitern stand unter feinem Befehle. Zur Zeit da die Republik am mächtigsten war, lagen ohne Unterlaß 10,000 der herrlichsten Eichenstämme im Wasser um dem Schiffsbau zu dienen; jedes Seil und jede Eisenrolle hatte ihr geheimes Erkennungszeichen und schon der Diebstahl eines Nagels war mit fünfjähriger Galeere bedroht. Hier lag auch der weltbe­rühmte Bucentaurus vor Anker, das prunkende Fahrzeug der Dogen, das ganz mit Gold und rothem Sammt überlastet, in dem selbst der Boden mit Eben­holz und Perlmutter gedeckt war. 84 goldene Nuder bewegten die Barke über die blaue Fluth und das Jauchzen einer stolzen Menge gab ihr das Geleite! Hohen Ruhm genoß auch ehedem die Wassensammlun.,, weiche stch im Arsenal befindet, denn sie bot den reichsten historischen Ueberblick, aber