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Eindruck, daß wir eine rein historische Arbeit vor uns haben, der lebendigen Erzählung steht ein nüchternes kritisches Urtheil zur Seite, und wir verweisen in dieser Beziehung besonders auf die Art, wie bei der Bekehrungsgeschichte des Paulus der Versuch einer psychologischen Erklärung abgewiesen und das Ganze dem Mythus anheimgegeben wird.
Freilich setzt auch eine solche Arbeit kritische Untersuchungen voraus, über welche eine allseitige Verständigung schwer wird zu erzielen sein. Da indessen für diese Untersuchungen kaum mehr Neues beigebracht werden kann, beschränkt sich Hausrath darauf in kurzen Worten die Meinung, die er sich gebildet, anzugeben. Vor allem ist er über den unhistorischcn Charakter der Apostelgeschichte im Reinen. Ihr Widerspruch mit dem Galaterbrief in Betreff des Apostclconcils, ihr Widerspruch mit der ganzen Persönlichkeit und Wirksamkeit des Paulus in Betreff des letzten Aufenthalts zu Jerusalem wird ausdrücklich eonstatirt, nur für die letzten Jahre des Apostels hat sie eingehende Benutzung gefunden. Weniger Zustimmung wird es von Seiten der Kritik finden, daß mit Ausnahme des Titus- und 1. Timotheusbriefs die anderen unter dem Namen des Paulus überlieferten Briefe alle als echt behandelt sind. Indessen wird die historische Darstellung davon nur wenig berührt, das Bild des Apostels nicht wesentlich alterirt. Denn wie geschickt sie auch von Hausrath in den Rahmen seiner Erzählung eingefügt sind, sind sie doch arm an wirklich bedeutenden charakteristischen Zügen, und bekanntlich gehört eben diese Farblosigkcit. mit anderen Merkmalen, zu den Gründen, aus welchen die Kritik sie nicht dem Verfasser der vier Hauptbriefe zuschreiben kann, in denen uns überall die scharf- gezeichnete Persönlichkeit ihres Verfassers entgegentritt. Grade der durchgeführte Versuch, die kleineren Briefe in die Erzählung einzureihen, dient somit nicht dazu, für ihre Authentic Anhänger zu werben.
Das Leben des Apostels Paulus von Heinrich Lang. (Besonderer Abdruck aus dessen Religiösen Charakteren".) Winterthur, 1860.
Diese Schrift bildet'gewissermaßen eine willkommene Ergänzung der eben genannten. Bewegter geschrieben, begnügt sie sich nicht mit der einfachen Erzählung, sondern sie sucht in die psychologischen Probleme, welche das Leben des Apostels stellt, in die geschichtliche Bedeutung des Doppelkampfs, den er gegen das Heidenthum und 'gegen die judcnchristliche Orthodoxie der Urapostel zu führen hatte, näher einzudringen. An die Bekehrung wird eine psychologische Entwicklung des ganzen paulinischen Systems angeschlossen, der geistige Zustand der hellenischen Welt, deren Apostel er werden sollte, lebendig geschildert, aus