Beitrag 
Neue theologische Literatur.
Seite
31
Einzelbild herunterladen
 

31

Neue theologische Literatur.

Das Leben Jesn von Bunsen. Bibclwcrk für die Gemeinde. Von C. C. I- Bunsen. Bd. IX. Bivclgcschichte. Das ewige Reich Gottcs und das Leben Jesu. Herausgegeben von H. I. Holtzmann. Leipzig. Brockhaus. 1865.

Das Leben Jesu, das als letzter Theil des übrigens noch nicht voll- endeten Bibelwerks von Bunsen vor kurzem erschienen ist. erinnert zunächst an Schleiermachers bekannte Vorlesungen. Wie diese, ist es aus dem Nachlaß des Verfassers herausgegeben, wie diese hat es nicht die letzte Vollendung und Feile eines für die Öeffentlichkeit bestimmten Werks erhalten. Aber auch der theologische und dogmatische Standpunkt weist auf Schleiermacher zurück. Es ist derselbe Begriff des idealen Gottmenschcn. der hier wie dort das Ziel der geschichtlichen Auseinandersetzung bildet, und diese baut sich demgemäß gleich- falls wesentlich auf Grundlage des vierten Evangeliums auf. Dabei stehen freilich dem bunsenschen Werke gegenüber der Kritik nicht dieselben mildernden Umstände zur Seite, wie demjenigen seines Vorgängers und Meisters. Denn dieser schrieb vor den epochemachenden Untersuchungen über das Verhältniß des vierten Evangeliums zu den Synoptikern. Bunsen schrieb nach denselben und hatte sie zu bekämpfen. Sein Buch ist darum nothwendig weit polemischer, und da es eine nachdrucksvoll auftretende zusammenhängende Geschichtsansicht SU widerlegen hatte, in seiner ganzen Anlage ungleich künstlicher und spitzfindiger. Wenn man sich vergegenwärtigen will, welcher Aufwand von künstlichen Aus­flüchten, welches monströse System von Auslegungskunst heutzutage nothwendig ^. um den gesicherten Resultaten der Kritik zum Trotz die Echtheit des Johannesevangeliums zum Nachtheil der drei ersten Evangelien ausrecht zu halten, f° ist h^fur nichts lehrreicher als die Lectüre des bunsenschen Werks. Die »evangelistische" Darstellung muß überall gegen dieapostolische" zurückstehen. Die Kritik der erstem ist oft ziemlich frei, sie wird zuweilen alsungeschickt "ud ganz unpassend" vrädicirt, mythische Abschnitte werden ohne Bedenken an­genommen. Aber freilich, das Mythische muß immer seinen geschichtlichen Hinter­grund haben, die Mirakelansicht sich immer nur als Mißverständniß einer gei­stigen Auffassung erweisen und die Berichtigung dieser Mißverständnisse ist das Geschäft derapostolischen" Geschichtserzählung. Das Evangelium des Johannes ist überhaupt dazu geschrieben, die nach praktischen Zwecken umgestaltete Ueber­lieferung zu berichtigen, zu ergänzen, zu erklären. Selbst bei dem Verhältniß des Täufers zu Jesus, das bei Johannes-und bei den Synoptikern bekanntlich