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Erinnerungen an Friedrich Rückert. 1.
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Glänze auf. Früher, so lange die persönlichen Eindrücke, die er von dem Lebenden erhalten hatte, noch mehr vorhielten, also in den Jahren, die nicht durch eine allzuweite Entfernung von der stuttgarter Zeit getrennt waren, wo die beiden als gute Gesellen mit einander gelebt und auch mit einander in Scherz und Ernst gekämpft hatten, mochten Wohl Uhlands Eigenthümlichkeiten, wie sie mehr in der Landesart als in seiner Individualität begründet lagen, sein Bild dem Freunde gelegentlich nur von einer und nicht immer von der menschlich-liebenswürdigsten oder anmuthigsten Seite erscheinen lassen. Selbst­verständlich verkannte er nie Uhlands Werth als Mensch und Charakter, auch wenn er scherzend seiner schwäbischen Ecken und Härtet gedachte. Die spätere Zeit ließ diese Eindrücke zurücktreten und basirte das Verhältniß zwischen den beiden auf ein idealeres Fundament. Noch in den letzten Tagen seines Lebens hat Nückert mit wärmster Theilnahme die begonnene Sammlung der wissen­schaftlichen Schriften Uhlands zur Hand genommen. Er war ebenso von dem unschätzbaren Kerne wie von der Form des Gebotenen entzückt, aber auch voll des Lobes über die würdige Art der Publikation und den Fleiß und die Pietät der Herausgeber. Außer der Lyrik Uhlands war es früher besonders die Schrift über Walther Von der Vogelweide, die Nückert stets als classisch zu be­trachten und zu empfehlen Pflegte, da ihr wenigstens früher immerhin eine Empfehlung Noth that. Sie gehörte doch zeitweise zu den vielen beinahe ver- schollnen Büchern, unter denen bekanntlich nicht wenige der allerbesten sind. Es ist nur ein Glück und ein Trost, daß ein solches Vergessensein nicht für immer gelten kann.

So lange Wangenheim lebte, also bis 1850, ward durch diesen eine per­sönliche Verbindung zwischen den beiden Dichtern auf die natürlichste und ein­fachste Art vermittelt, wie sie beiden am bequemsten war, da keiner von ihnen ein Freund vom Briefschreiben gewesen ist. Wangenheim, einst das Hauptziel von Uhlands localpatriotischem Zorne, sollte bekanntlich bald genug seinem Adoptiv- vaterlande und dessen liberalen Führern ebenso theuer werden, wie er früher von ihnen gehaßt worden war. Nach seinem Sturze begann ja die volle Re­action auch dort ganz ungeschminkt und ungeschcut aufzutreten, während bis dahin doch noch immer einige Scham vor dem einstigen Herzensfreunde des mistigen liberalen Kronprinzen in den allerhöchsten Regionen jeden gar zu auf­fälligen Schritt von der früher unter Wangenheims Acgide mit so vieler Osten- tation betretenen Bahn des zeitgemäßen Liberalismus hatte vermeiden lassen. Wangenhcims persönliche Liebenswürdigkeit, wie sie so leicht nicht wieder ge­funden werden wird, hatte ja selbst damals, als ihm UHIand seinDu hast für unser Volk kein Herz" cntgegenschleuderte, auf die Gegner bezaubernd gewirkt. Wcmgenhcim vergalt aber auch die spät und theuer erkaufte Liebe seiner schwä­bischen Freunde mit einer rührenden Anhänglichkeit an Land und Leute, die