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oft mit Bitterkeit vorgeworfen, daß er sich so wenig um sie fümmere. Sie scheint ihr Verhältniß, zu den Autoren ungefähr wie das des Lehrers zum Schüler aufzufassen. Dieser soll sich noch für die „gnädige Strafe" bedanken, aber nicht blos das: er soll auch fühlen, daß er gestraft worden ist und daß er die Strafe verdient hat. Ein solcher Kritiker gerieth, wie wir uns noch deutlich erinnern, wenigstens auf dem Papier ganz außer sich, als er erfahren hatte, daß Friedrich Rückert derartige Recensionen gar niemals lese. Er vergaß freilich hinzuzusetzen, daß derselbe überhaupt auch die Blätter, in denen sie standen, gar nicht zu lesen Pflegte, nicht aus souveräner Verachtung, sondern eigentlich weil sie in seinen abgeschlossenen Kreis nicht drangen. Hätte es jener Kritiker gemacht wie mancher andere und dem Dichter seine Lection zugeschickt, so würde sie dieser ohne Gemüthsbewegung angesehen, aber wahrscheinlich aus demselben Grunde bald bei Seite gelegt haben, aus dem er derartige Dinge grundsätzlich nicht beachtete. Das was ihn wirklich gefördert hätte, konnte er nicht darin finden, und so war es bloßer Zeitverderb, sich damit abzugeben. Was einmal fertig dastand, war für ihn auch in gewissem Sinne abgethan. Was sollte es ihm helfen, wenn andere daran meisterten und ihn belehrten, wie es so oder so hätte gemacht sein sollen? Seine nie rastende Geistesthätigkeit strebte und sah immer nach vorwärts: wer ihm dabei hilfreich sein konnte, war willkommen. Aber das war nur möglich, wenn man nicht, wie es unbewußt die Art der gewöhnlichen Kritik zu sein pflegt, forderte, daß der Dichter seine ihm eigene Natur und Originalität verläugnete und das vorstellte, was die andern von ihm wollten, daß er sein sollte, nicht was er für sich sein mußte. Daraus ergab sich von selbst, daß nur solche, die durch wahren innern Anschluß einen wenn auch nur instinctiven Begriff von seinem ganzen Wesen sich erworben hatten, ihm als befugte Kritiker, d. h. als liebe und geachtete Führer auf seinem weiteren Wege galten. Das Meiste dieser Art con centrirte sich auf den unmittelbar lebendigen, den mündlichen Verkehr und ist darum für immer von der Luft mit so viel anderem Schönsten und Besten, Lehrreichsten und Interessantesten verweht worden, manches aber ist doch noch auch in der Erinnerung Einzelner oder auf dem Papier erhalten und wird, wenn es dereinst ans Licht tritt, zeigen, welche Ziele der Dichter sich selbst gesetzt hat, und wie ihn die, die ihn am besten kannten, verstanden haben.
Nur einmal, gegen Ende seines Lebens, hat ihm nicht sowohl.die belletristische Kritik als die Presse überhaupt, so weit sie von ihm als Dichter Notiz nahm, in eine wirkliche Verstimmung versetzt. Es war nach Uhlands Tod, wo so viele den eben Heimgegangenen Meister nicht besser zu ehren glaubten, als wenn sie einem noch lebenden Kunstgenossen einen mehr oder minder herben Schlag ins Gesicht gäben. Allerlei wunderliche Vorurtheile und mythische Vor- stellungen mögen dabei mit im Spiele gewesen sein, denn nur so erklärt es
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