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Die berliner Bildhauerschule. 5.
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mentale Größe und Wirkung zu geben, welche die erste an ein Denkmal der Art zu stellende Forderung bleibt. Dürftig und unorganisch, wie sich das Postament für sich allein'und in seiner Zusammenwirkung mit der Statue zeigte, mußte der Entwurf gegen die grade nach dieser Seite hin so imposante und großartige Denkmalsskizze seines Mitbewerbers unterliegen.

Auch mit diesem haben wir die Leser der Grenzboten damals bekannt ge­macht. Wenn in irgendeinem unter der jüngeren Bildhauerschaft, so haben wir in ihm denjenigen zu sehn, der, unabhängig von der Tradition wie von der Manier, aus der Kraft des ureignen Genies die eignen Pfade sucht und findet nach Zielen, die er sich völlig außerhalb jenes Kreises gesteckt, welcher den künstlerischen Horizont der bisherigen berliner Schule bildete. Reinhold Beg as (geb. Berlin 1831, Sohn des berühmten Geschichtsmalers) hat mit einer rücksichtslosen Kühnheit das malerische Element in unsre Plastik gebracht und der überhandnehmenden Nüchternheit und Trockenheit des Stils eine Fülle und Breite desselben gegenübergestellt, welche nahe an die Grenze der Ueppig­keit geht, dem ängstlichen Anschließen an das allgemeine antike Muster theils eine freie, naive und immer großartige Naturauffassung, theils, wo es sich um Aufgaben der Monumentalbildnerei handelte, die Erinnerung an die prächtigen Kunstmuster der Renaissance, Bernini den Vielverleumdeten und den großen Schlüter mit einbegriffen.

Von seinem ersten Meister Ludwig Wichmann (es ist eine hübsche und in­teressante Thatsache, daß dieser, Gottfried Schadow und Rauch den Knaben über die Taufe hielten) ist keine bleibende geistige Einwirkung auf den Schüler ausgegangen. Ebenso wenig eigentlich auch von Rauch, dessen Werkstatt ihn in seinem achtzehnten Jahr aufnahm. Er copirte nach der Antike, nach ein paar rauchschen Arbeiten, modellirte im Atelier und im Actsaal auch nach der Natur, hat aber nicht an seines Meisters großen Modellen mitgeholfen. Als erste selbständige Arbeit stellte er (in dreiviertel Lebensgröße) die Marmorgruppe der Hagar mit dem verschmachtenden Jsmael aus (1862), noch knospenhaft be­scheiden in der Formengebung, voll zarter und wahrer Empfindung und einem überraschend unbefangnen Natursinn, von welchem zumal die Gestalt des nackten Knaben zeugte. Zur Marmorausführung eines zweiten Modells, das mir nie zu Gesicht gekommen ist, einer Gruppe der Psyche mit der Lampe über den schlafenden Amor gebeugt, ging er 1855 nach Italien. In wenigen Bildhauer- leben hat der italienische Studienaufenthalt einen so scharfen Abschnitt markirt, das eigentliche innerste Wesen ihres Talents so schnell und vollblühend heraus- entwickelt und fruchtbar gemacht, wie bei Begas. Nach drei Jahren kam er als ein völlig andrer Mensch und Künstler zurück und brachte jene bewunderns- werthe Gruppe des Pan. die verlassene Psyche tröstend, mit sich, die wie ein Fremdling, wie das Erzeugniß einer ganz andern künstlerischen Welt unter den