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Die Parade der französischen Truppen vor dem Sultan.
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zum Sonnabend den 17. Juni angesagt worden. Es hieß, der Sultan werde in Person erscheinen, die Fronte entlang reiten und sodann die Truppen defi- liren lassen, wie er dies auch am 24. Mai, auf dem Felde von Hayder Pascha, wo die englischen Regimenter zur damaligen Feier des Geburtstages ihrer Kö­nigin paradirten, gethan. Die Neugierde war um deswillen sehr hoch gespannt; kaum eine Familie in Pera mochte es geben, von der nicht mehre Mitglieder den Beschluß gefaßt hatten,, dem Schauspiel beizuwohnen. Die große französische Kolonie im besonderen betrachtete die Parade als ein nationales Fest. Kein Wunder, wenn die meisten fränkischen Kutschen schnell für die Damen in Be­schlag genommen waren, und die ArabadschiS für jede einzelne der unvcrmiethet ' gebliebenen enorme Preise sür den Tag stellten, die bis auf öoo Piaster (30 Thlr.) hinaufgingen.

Das Terrain, aus welchem die Musterung stattfinden sollte, liegt zwischen der neuen, großen Kaserne von Ramid Tschiftlik und Hasta Hane, oder dem Lazarett), unmittelbar hinter Ejub und im Angesicht der großen Doppelmauer, welche Konstantinopel landwärts abschließt. Es ist ein Plateau, welches von Norden nach Süden in einer Länge von etwa dreitausend Schritt sich ausdehnt, aber' ziemlich schmal und keineswegs eben, überhaupt den Erercierplätzen nicht zu vergleichen ist, auf denen die Truppen in Mitteleuropa gemustert zu werden pflegen. Gleichwol war es das beste Feld, welches man in der Umgegend von Konstantinopel hätte finden können. Es ist dies der classische Boden, auf dem die Janitscharen ihr Lager aufzuschlagen pflegten, bevor sie zu weiten Kriegszügen ausrückten. Hier musterte sie Soliman, bevor er im April -IS26 zur Eroberung von Ungarn auszog. Hier war es auch, wo Mahmud ll. im letzten Kriege gegen Rußland die neugeschaffenen Nisams versammelte, und sei­nen Ausruf an die Nation zum heiligen Kriege ergehen ließ. Die Verschan­zungen, welche sich nord- und westwärts des großen Vierecks der Kaserne von Ramid Tschiftlik ausdehnen, stammen aus dieser letzteren Zeit. Sie sind ein unausgeführt gebliebener Versuch, Konstantinopel in seinem gegenwärtigen Umfange mit allen seinen diesseitigen Vor- und Nebenstädten durch eine forti- ficatorische Umfassung zu decken, ein Plan, der immer sein Mißliches hat, weil man den Kreis der Befestigungen, welche Ausdehnung man ihm auch geben mag, dennoch nicht weit genug zu spannen vermag, um die Quellgegenden bei Belgrad, nicht weit von Bujukdere, damit einzuschließen, von denen auS die Hauptstadt den größeren Theil ihres Bedarfs an Trinkwasser bezieht.

Da ich seither noch nie französische Truppen in Masse gesehen, so beschloß ich die Gelegenheit, welche mir die Parade dazu bot, zu nutzen. Schon um acht Uhr Morgens verließ ich zu dem Ende meine in der Nähe des Stadtheils Dolma Bagdsche gelegene Wohnung und schlug, um auf den Erercierplatz von Ramid Tschiftlick zu gelangen, den landwärtigen Weg ein, welcher zunächst

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