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Preußische Briefe : zwölfter Brief : die Fürsten gegen die Nation.
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dischgrätz und Hecker. Ein großer Theil unserer Partei scheut sich vor einer ener­gischen Opposition gegen das Gonveruement, obgleich es dasselbe ebenso mißbilligt als wir, in diesem 'Augenblicke, wo die sociale Frage hereindroht. Er fürchtet in jedem neuen Kampf eine nene Stockung der Geschäfte, neuen Nothstand, neues Elend, zuletzt Krieg der Besitzlosen gegen den Besitzende». Ein Bedenken von der höchsten Wichtigkeit, welches aber durch die einfache Reflexion gehoben wird, daß in einer schnellen nud energischen Opposition der gescnumten liberalen Par­tei uud den schnellen Sieg über die Willkür der Höfe das einzige Mittel gegeben ist, jenen blutigen Kampf zu vermeiden, der sonst unvermeidlich hereinbrechen muß.

Das einzige Organ unserer Partei der Partei der gesetzlichen Freiheit ist für jetzt die Nationalversammlung zn Frankfurt. Wir hoffen, daß sie mit der unglaublichen Mäßigung uud Besonnenheit, die sie bis jetzt bewährt hat, im ent­scheidenden Augenblick auch die Kraft und Energie verbinden wird, ohne welche jene Eigenschaften keine Berechtigung h«ben. Ihr zur Seite stehen die Staaten von Würtembcrg, Baden, beiden Hessen uud sämmtliche kleine Staaten, stehen die ständischen Erklärungen von Preußen uud Sachsen, steht endlich d e gesammte Nation. Sie hat über keine militärischen Mittel zn dispvniren, aber d'le Noth­wendigkeit der Verhältnisse ist sür sie. Bleiben die Negleruugen auf cvnstitulio- ncllem Boden, d. h., schreiben sie nach der Aufforderung der Paulskirche augenblicklich die neuen Wahlen ans, uud berufen die daraus hervorgegaugcnen Kammern, dann ist die weitere Entwickelung euifach und organisch. Bis dahin haben alle Korporationen, dte städtischen Behörden, die Bürgerwehren, laut ihre Stimme zu erliebeu zu Gunsten der deutscheu Sache, zu Gunsten der Freiheit. Je schneller und energischer das geschieht, je weniger wird die Regierung versucht werden, ihre letzte Karle auszuspielen.

Sollte es aber dennoch geschehen; sollten die Mäuner der Gewalt es wagen, ihre Hand an das Palladium der deutschen Nation zu legen; es wagen, die Grundlage der gesetzlichen Freiheit in den einzelnen Staaten ebenso zu unterwüh­len, als die des Reichs; sollten sie, wie das tief gesuntue Oestreich, den Russen gegen ihren eignen Mitbürger zu Hilfe rnfen dann ist unsere Partei, die Par­tei der Vermülcliuig, aufgelöst, und der Fluch der Ereignisse, die daun unver­meidlich sind, möge ans das Haupt derer fallen, die sie heraufbeschwöre» habe».

Nachschrift. Jeder Tag bringt sei» Neues. Preußen hat also an dem­selben Tage, wo seine Ablehnung nach Frankfurt gesandt wurde, die Fürsten auf­gefordert, in einem berliner Congreß die Verfassung zn berathen, die dem deutsche» Volk vctrvyirt werde» soll; es' hat gegen jede Widersetzlichkeit der Unterthanen kräftigen militärischen Schutz verheißen. Es wird falsch gerechnet haben, die 30 Negieruugen werbe» nicht in einen preußischen Svnderbund eintreten, sie werden halten, was sie dem Parlament gelobt; die vier Königreiche, welche nur darum, weil Preußen an die Spitze gestellt werden sollte, der Verfassung ihre Anerkennung versagten, werden jetzt sich freudig ihr anschließen. ^- Ferner spricht dieDeutsche Reform," das Organ des Hofes, es aus, nach dem bis­herigen Wahlgesetz dürfe in Preußen nicht wieder gewählt werden. Also geht das Ministerium iii der That damit um, die von ihm selber octroyirte Verfassung will­kürlich wieder aufzuheben; es proclamirt den Znstaud der Willkür und Rechtlosigkeit. Diesmal wird die Rechte welche die Versassung anerkannt hat mit derLinken einig sein, daß voil einer Wahl nach dem neuen Modus nicht die Rede sein könne.

Verlag von F. L. Hcrbig. Redacteure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.

Druck von Frie brich Andrü.