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könne man nicht regieren. Es ist das an sich ein richtiger Vvrwurf, den wir selber schon mehrfach erhoben haben; die Kammer hat eine grenzenlose Ungeschicklichkeit erwiesen, Beschlüsse zn fassen. In solchen Fallen hat allerdings die Negierung nur die Wahl, durch eine Auflösung der Kammer an's Volk zu appelliren oder zurückzutreten. Man löst die Kammern auf, wenn man auf einen günstigern Ausfall der neuen Wahlen rechnet. In diesem Fall hat die Regierung nur Einen Umstand übersehen. Jene Flnctuation beruhte gar nicht darauf, daß ihre Anhänger und ihre Gegner sich ungefähr die Wage hielten, sondern darin, daß die verschiedenen Fractionen ihrer Gegner aus Eisersucht gegen einander jedesmal verschiedene Anträge stellten, die zwar das Gemeinsame enthielten: „Die Politik des Ministeriums ist erbärmlich," aber dann noch irgend einen unerheblichen Zusatz, z. B. „gelb ist eine schone Farbe," oder grau oder dergleichen. Wenn sie nach den eben so leidenschaftlichen als durchdachten Angriffen, in denen Viu cke, der Repräsentant, wenn auch nicht der Führer des rechten Centrums, ihr System in seiner ganzen Kläglichkeit enthüllte, drese Partei zu ihren Anhängern rechnen, so überschreitet das beinahe das Gebiet des Möglichen.
Wie dem auch sei, das Ministerium hat jedenfalls das formale Recht, die Kammer aufzulösen, auch wenn es in derselben eine überwiegende Majorität gegen sich hat, sobald esHuur hofft, in den nenen Wahlen zu siegen. Nach der Konstitution vom 5. December, die dnrch Annahme von Seiten der Kammer rechtskräftig geworden ist, müssen die neuen Wahlen in spätestens 40 Tagen beendet, die nenen Kammern in »0 Tagen einberufen seiu. Ob das Miuisterium darauf rechnet, daß sie conscrvativer ausfallen werden! Folgende Umstände sprechen dagegen. Die äußerste Rechte hat mehrfach ausgesprochen, daß bei den Urwahlen au eine zweckmäßige Volksvertretung nicht zu deukeu sei; daß sie selbst ihre Wahl lediglich dem Zufall verdanke. Man hat die Urwahlen mit zu den Motiven gerechnet, der deutschen Ncichsvcrfassuug die Zustimmuug zu versagen. Die letzten Wahlen gingen aus einer Stimmung des größcrn Theils der Nation hervor, uw jeden Preis einen geordneten Znstand uud als Fundament desselben die Anerkennung der octroyirten Verfassung zu erwerben. Diese Anerkennung ist jetzt aber ausgesprochen und es treten andere Bedürfnisse in den Vordergrund, die bereits factisch einen großen Theil der rechten Seite bewogen haben, mit der Opposition zu stimmen. Die Hoffnung des Ministeriums auf einen conservativen Ausfall der ueuen Wahlen wäre also wenigstens eine Illusion; daß dieselbe aber gar nicht eM wesentlicher Bestimmuugsgruud der Kammerauflösung war, zeigt das dritte, das wichtigste und gefährlichste Motiv. Es wird mit dürren Worten gesagt, die KaM' mer habe ihre Kompetenz mehrfach überschritten, uud zwar namentlich in zwe Fällen, bei dem Antrag auf Aufhebung des Belagerungsznstandes in Berlin »nv bei der Anerkennung der deutschen Rcichsverfassnng. Es ist also evident, daß die Regierung die Möglichkeit, daß von den neuen Kammern ähnliche BeschlW